Die Hildebrandt-Rekordmedaille

Alexandra Hildebrandt erfindet einen Menschenrechtspreis – in knapp drei Tagen. Doch bei der Rainer-Hildebrandt-Medaille geht es der Mauermuseums-Chefin vor allem um den Namensgeber

VON ULRICH SCHULTE

In puncto Gedenken macht Alexandra Hildebrandt keiner was vor: Die umtriebige Museumschefin zieht in wenigen Wochen ein Mauermahnmal hoch, während der Senat, wenn’s ums Mauergedenken geht, erst jahrelang grübelt und dann eine Arbeitsgruppe bildet. Gestern hat Hildebrandt ihren Erinnerungsbauchladen – Mauermuseum samt Fake-Baracke, Fake-Mauer samt Holzkreuzen – komplettiert: mit der Rainer-Hildebrandt-Medaille.

Engagierte Kämpfer für Menschenrechte sollen sie bekommen, an ihren Mann und Museumsgründer Rainer Hildebrandt soll sie erinnern. Hauptsächlich wohl letzteres, doch davon später mehr.

Die Erfindung des „Internationalen Menschenrechtspreises ‚Rainer-Hildebrandt-Medaille‘“ muss man sich so vorstellen: Weil Gedenken mit Nachdenken zu tun hat, überlegte Hildebrandt schon länger, wie sie adäquat an den gestrigen 90. Geburtstag ihres Mannes erinnern könnte, der Anfang des Jahres starb. Samstag, so gegen 21 Uhr, kommt Witwe Hildebrandt die Medaillenidee, Anruf bei Duzfreund und Maler Matthias Koeppel. Der fertigt – obwohl heftigst vergrippt – das Porträt des Verstorbenen („Erst Bleistift, dann Tusche für die Schattierungen“). Sonntag Anruf bei Hans-Dietrich Genscher, Montag Anrufe bei Joachim Gauck und anderen. Die Jury steht, der Graveur macht keine Probleme, fertig ist der Preis. Nur in der Berliner Politik hocken Spielverderber, das weiß Hildebrandt, deshalb hat sie gar nicht erst gefragt: „Ich wüsste nicht, wen ich da einladen sollte.“

Dann sitzt Alexandra Hildebrandt also am Dienstag unter einem lebensgroßen Rainer-Hildebrandt-Foto in ihrem Museum, sie hält die Rainer-Hildebrandt-Rekordmedaille hoch und hat vor Rührung „nicht die Kraft“ zu reden. Macht sie dann aber natürlich doch und immer sind es Geschichten von ihrem Mann, dessen Lebenslauf, drei Seiten, eng bedruckt, in der Pressemappe liegt. Irgendwie kommt bei dem Menschenrechtspreis also der Teil mit den Menschenrechten zu kurz. Auch Michael Wichmann von der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte kann diesen Eindruck nicht ausräumen: „Den Preis erhalten Menschen, die sich weltweit gewaltfrei für Demokratie und Menschenrechte einsetzen. Menschen, die nicht in der Öffentlichkeit stehen und durch die Ehrung vielleicht sogar sicherer arbeiten können.“

Was der Glückliche zusätzlich zur Medaille bekommt? Noch nicht ganz klar, sagt Hildebrandt, ein bisschen Geld oder ein Stück Originalmauer zum Beispiel. Wer als Preisträger in Frage käme? Wer wen vorschlägt? Wie die Jury auswählt? Kleinigkeiten, die bis zum nächsten Jahr sicher geklärt sind, denn dann wird der Preis am 14. Dezember erstmals verliehen. Auch die „tiefen, dunklen Augen“ des Museumsgründers müssten nachgearbeitet werden, merkt Maler Koeppel noch an – die sind auf der Medaille zu hell geraten.