Barroso stellt die Prioritäten der EU vor

Die Union soll in den kommenden fünf Jahren zur dynamischsten Wirtschaftsregion weltweit werden

BRÜSSEL taz ■ Günter Verheugen ist immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort. In der Kommission von Romano Prodi war der SPD-Politiker für die Erweiterung zuständig. In seiner zweiten Amtszeit hat Verheugen nun den Job, sich um Unternehmen, Industrie und Wettbewerbsfähigkeit zu kümmern. Und genau diese Dinge erklärte der neue Kommissionspräsident José Manuel Barroso gestern vor dem EU-Parlament zur „Top-Priorität“ für die nächsten fünf Jahre.

„Wir werden die Lissabon-Kommission sein“, hatte Barroso schon vor einigen Tagen bei der europäischen Vereinigung der Wirtschaftsverbände, Unice, behauptet. Die Lissabon-Strategie, von den Staatschefs im März 2000 verabschiedet, hat zum Ziel, aus der EU bis 2010 den dynamischsten und wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt zu machen. Bisher ist davon nicht viel zu spüren. In vielen Mitgliedsländern kämpfen die Regierungen mit der Arbeitslosigkeit, die Wirtschaft erholt sich in den USA wesentlich schneller.

Barroso will das – mit der Hilfe Verheugens – endlich ändern. „Wir wollen einen genauen Fahrplan mit konkreten Daten und Maßnahmen erarbeiten“, versprach er den EU-Parlamentariern in Straßburg. Dazu gehörten etwa die Einführung eines Gemeinschaftspatents, mehr Engagement für Forschung und Entwicklung sowie eine bessere Umsetzung des europäischen Rechts in den Mitgliedstaaten.

Darüber hinaus sprach sich Barroso für die Ratifizierung der EU-Verfassung und einen verstärkten Kampf gegen Terrorismus und Kriminalität in der EU aus. Barroso will außerdem die Rolle der EU in der Welt stärken. Das Beispiel Ukraine habe gezeigt, wie die Union bei Krisen vermitteln könne.

Es war Barrosos erster Auftritt im Plenum, seitdem das Parlament seinen Vorschlag für die Kommission abgelehnt und erst den zweiten – ohne den umstrittenen Italiener Rocco Butiglione – bestätigt hatte. Diese Erfahrung schien dem Portugiesen noch in den Knochen zu stecken. Mehrfach wiederholte er, wie wichtig die Zusammenarbeit zwischen dem Parlament und der Kommission sei.

Die Parlamentarier schienen gerührt von der ungewöhnlichen Anerkennung durch den Kommissionspräsidenten. Das sei eine „ganz neue Erfahrung“, sagte etwa der Vorsitzende der EVP-Fraktion, Gert Pöttering. Die beiden großen Fraktionen, die EVP und die Sozialisten, unterstützen den ökonomischen Schwerpunkt der Kommission. Allerdings, erklärte der Vorsitzende der sozialistischen Fraktion, Martin Schultz, dürfe die soziale Komponente dabei nicht fehlen.

Das Parlament stimmt morgen über die Kommissions-Strategie ab. Auf dieser Grundlage wird Barroso dann im Januar sein konkretes Arbeitsprogramm für das kommende Jahr vorstellen. RUTH REICHSTEIN