Drei Ks machen das Babywunder von Laer

Kitas, Katholizismus und kein Kino: Deswegen kommen in der Gemeinde Laer besonders viele Kinder zur Welt

BERLIN taz ■ Wenn in der ganzen Republik so viele Kinder zur Welt kämen wie in Laer, dann wäre das demografische Problem nicht ganz so pikant. Auch um die Renten müsste sich die Generation Golf heute nicht solche Sorgen machen, und die Menschen wären sowieso viel glücklicher. Laer tut viel für seine Kleinsten und ihre berufstätigen Eltern.

Im münsterländischen Laer, 6.800 Einwohner, werden nämlich auffällig mehr Kinder geboren als anderswo. Im Jahr 2002 kamen dort durchschnittlich 13,5 Kinder pro 1.000 Einwohner zur Welt. Im nordrhein-westfälischen Landesdurchschnitt waren es 9 Kinder, im Bundesdurchschnitt nur 8,7.

Laer hat sich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – für Mann und Frau – zum Ziel gesetzt. Und wartet mit einem Angebot auf, was man selbst in mancher Großstadt vergeblich sucht: Die Laerer Kinder werden ganztäglich versorgt – in einer der vielen öffentlichen Einrichtungen: Es gibt eine Ganztags-Grundschule und mehrere Kindertagesstätten, die auch nachmittags geöffnet sind. Kinder ab vier Monaten werden von einer öffentlich geförderten Elterninitiative betreut.

Dazu lockt Laer junge Familien mit günstigem Bauland: Die Stadt bietet Zuzüglern sofort bebaubare, voll erschlossene Grundstücke ab 117 Euro pro Quadratmeter. Im Baugebiet seien Pkw-Verkehr und Fußwege getrennt, die Stadt zahlt einen Zuschuss für Solaranlagen, und der in das neue Viertel integrierte Kindergarten hat bereits vor über einem Jahr den Betrieb aufgenommen.

Andere Kommunen müssten diese Infrastruktur erst aufbauen, sagt Kerstin Schmidt, Demografieforscherin bei der Bertelsmann-Stiftung: „Das ist ein zentraler Standortfaktor“ – vor allem in den nächsten Jahrzehnten, wenn durch den demografischen Faktor aus dem Arbeitsplätzemangel ein Arbeitskräftemangel werde.

Schmidt hat ausgerechnet, dass der Anteil der Null- bis Sechsjährigen bis zum Jahr 2015 um über 20 Prozent zurückgehen wird – gleichzeitig steigt der Anteil der über 60-Jährigen laut Schmidt um 30 bis 60 Prozent. Die Demografieforscherin hält mangelnde Kinderfreundlichkeit der Städte und Gemeinden für eine der zentralen Ursachen für den Bevölkerungsschwund. „Die Kommunen müssen den demografischen Wandel aktiv gestalten“, sagt Schmidt: „In Laer hat man das begriffen.“ Bürgermeister Hans-Jürgen Schimke trat 1999 mit einem kinderfreundlichen Programm zur Wahl an – und gewann. Schimke ist einer von zwei grünen Bürgermeistern in Nordrhein-Westfalen.

Die Geburtenrate von Laer sei die landesbeste und bundesweit unter den Topten, sagt der Bürgermeister. Aber woher genau kommt nun der Kindersegen? Natürlich hätten sie viel getan für Kinder und Familien. Aber Ganztagsschulen, ganztägige Kinderbetreuung und günstiges Bauland gebe es in den angrenzenden Gemeinden auch. Was es dort allerdings nicht gibt, sind gemischte Kita-Gruppen, in der auch die Kinder unter drei betreut werden.

Doch auch ohne diese Maßnahme wäre der Kindersegen groß: „Unsere Nachbargemeinden haben ähnlich hohe Geburtenraten“, sagt Schimke, der auch Landesvorsitzender des Kinderschutzbundes ist. Ein revolutionäres familienpolitisches Konzept sei das jetzt nicht. Als ob er sagen wolle, das alles sei selbstverständlich, Laer habe nur seine Hausaufgaben gemacht.

Der Bürgermeister ist bescheiden. Das Medienecho war vielleicht doch „ein bisschen zu dick“. Erst berichtete ein Nachrichtenmagazin, dann kamen die Boulevardpresse und eine Frauenzeitschrift. Auslandskorrespondenten aus England und Australien folgten. Und einige Medien hätten den Babyboom nur damit erklärt, „dass es hier kein Kino gibt und um zehn die Straßenlaternen ausgehen“, sagt Schimke – und 1iefert eine andere Ursache für den wundersamen Kinderreichtum nach: Laer liegt auf dem Land. Und ist einfach sehr, sehr katholisch.

THILO SCHMIDT