MAUT: WARUM EINFACH, WENN ES AUCH KOMPLIZIERT GEHT
: Eine tolle Kollekte

Das Tollhaus des Jahres heißt Toll Collect. Vordergründig sollte diese Privatfirma Autobahnmaut von Spediteuren kassieren, damit sie sich an den Kosten der Straßenschäden beteiligen, die ihre schweren Laster anrichten. Wie meist ging es im Hintergrund auch noch darum, deutsche Hightech zu fördern. Die Liste solcher staatlichen Elefantenprojekte ist so berühmt wie berüchtigt – vom atomaren Brennstoffkreislauf über den Eurofighter bis zum Transrapid.

Eigentlich sollte ab Januar 2003 Maut kassiert werden. Das Simpelste wäre gewesen: Jedes Jahr eine Kilometerkontrolle, jeder Kilometer kostet, fertig. Aber einfach kann ja jeder – also tüftelten diverse Industrieverbände und die Fachleute der Bundesregierung noch ein wenig. Ergebnis: Die Maut soll nur auf Autobahnen gelten, und eine lückenlose, satellitengestützte Kontrolle mit diversen Spezialanforderungen muss her. Samt umfassender Haftung im Falle technischer Mängel, so die Ausschreibung. So wurden mittelständische Mautanbieter aus dem Geschäft gedrängt. Den Zuschlag erhielten nach viel Gemauschel (was den theoretischen Starttermin schon auf Ende August 2003 schob) DaimlerChrysler, Telekom und die französischen Mautkassierer Cofiroute – für zwölf Jahre.

Selbst bei der aberwitzigen Annahme, solch ein staatlicher Großpionierauftrag liefe nach Plan, wären die Kosten immens gewesen: mehr als eine halbe Milliarde Euro Anfangsinvestitionen für all die Elektronik, dazu jährliche Betreiberkosten von 600 Millionen Euro. Wir haben’s ja, und DaimlerChrysler und die Telekom brauchen’s doch dringend. Und weil die ebenfalls hochtechnisierte EU-Kommission bis 2010 auch ein Mautsystem einführen will, hofften alle auf Folgeaufträge. Sogar die aus Transrapid-Zeiten bekannten „Anfragen aus den USA“ wurden vom Betreiberkonsortium schon vernommen.

So weit die Fantasie. In der Wirklichkeit weiß auch nach x Verhandlungsrunden zwischen Betreibern und Verkehrsministerium niemand, ob und wann die satellitengestützte Kilometerzählerei funktioniert. Dummerweise sind Mauteinnahmen von jährlich fast zwei Milliarden Euro im Verkehrsetat bereits eingeplant, und die Haftungsregelungen im 17.000 Seiten umfassenden Vertrag mit Toll Collect erweisen sich als bescheiden. Das Konsortium muss nur etwa fünf Prozent der Einnahmeausfälle erstatten. Eine tolle Kollekte.

REINER METZGER