Kein Frikadellenhunger in Oberhausen

Wenige Tage vor dem 100-jährigen Vereinsjubiläum ist Zweitligist Rot-Weiß Oberhausen in eine Wettaffäre verwickelt. Vereinsführung will von Betrug und Schiebung beim 0:2 gegen Aue nichts wissen und sieht finstere Mächte am Werk

OBERHAUSEN taz ■ Hermann Schulz kann eigentlich eine Menge vertragen. Seit 1979 regiert der Bauunternehmer mit kleinen Unterbrechungen den Zweitligisten Rot-Weiß Oberhausen, holte die „Kleeblätter“ aus der Versenkung der Verbandsliga zurück nach oben, verschliss Trainer am Fließband und kämpft seit Jahren gegen den Abstieg aus der 2. Bundesliga. Das härtet ab. Doch am Mittwoch war Schulz „total geschockt“. Der angebliche Wettskandal bei der 0:2-Niederlage des RWO in Aue (taz berichtete) verdarb ihm beim Kaffeekränzchen mit Journalisten den Appetit. Schulz ließ den sonst favorisierten Teller mit Frikadellen unberührt stehen, wirkte wie ein Häufchen Elend. „Und das kurz vor unserer 100-Jahr-Gala. Das schmerzt“, klagte Schulz. Samstag feiert RWO Jubiläum.

„Die sollten mal alle kommen, wenn wir spielen oder trainieren“, kommentierte Trainer Eugen Hach den ungewöhnlichen Medienrummel rund um das Clubhaus an der Landwehr. Nicht mal aus der vergangenen Saison, als RWO ausnahmsweise mal um den Bundesliga-Aufstieg mitspielte, kannten sie das in Oberhausen. Jetzt stand aber ein mutmaßlicher Skandal im Vordergrund. Vor dem Zweitligaspiel zwischen Aue und Oberhausen (2:0) am zurückliegenden Sonntag waren bei internationalen Wettbüros ungewöhnlich hohe Geldbeträge auf eine RWO-Niederlage gesetzt worden. Zahlreiche Buchmacher hatten die Begegnung daraufhin rund zwei Stunden vor dem Anpfiff aus dem Programm genommen. Nach Angaben des Buchmachers „Intertops“ wurden Summen gesetzt, die drei bis vier Mal höher waren als üblich. Der Verdacht, dass RWO-Spieler die Niederlage zugunsten eines Wettgewinns forciert hätten, steht seitdem im Raum. Der Abstiegskandidat hatte die Partie durch ein Eigentor und einen unnötigen Foulelfmeter verloren. DFB und Ligaverband prüfen den Vorgang.

Beraten vom eingeschalteten Anwalt Horst Klettke ging Schulz in die Offensive. Eine Unverschämtheit seien die Vorwürfe, die da artikuliert werden, sagte Schulz. Gegenüber der taz führte der Club-Boss die Gerüchte auf Besonderheiten im internationalen Wettgeschäft zurück. „Ich bin da zwar kein Experte, wenn in Hongkong ein Eimer Wasser umkippt“, so Schulz. Er habe aber den Eindruck, dass gezielt Gerüchte lanciert würden, wenn gewisse Anbieter nicht bereit seien, Wettgewinne auszuschütten. Von den RWO-Spielern wurden jedenfalls eidesstattliche Versicherungen eingeholt, dass sie niemals, auch nicht über Dritte, in der vorgeworfenen Form, bei Wettanbietern gewesen wären. Gestern stellte RWO bei der Duisburger Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen Unbekannt. „Die Staatsanwaltschaft erhält bei den Wettbüros Akteneinsicht und kann besser ermitteln als etwa ein Kontrollausschuss des DFB“, begründete Klettke. Schließlich seien die Vorwürfe einfach in den Raum gestellt worden. Klettke geht davon aus, dass der Vorgang die Staatsanwaltschaft einige Zeit beschäftigen wird. „Ich frage mich, warum solche Gerüchte überhaupt verbreitet werden. Das ist doch Rufmord“, sagte Vereinsboss Schulz. Vergleiche mit dem „Bundesligaskandal“ von 1971 ließ er nicht zu.

Der „Bundesligaskandal“. Die vor 33 Jahren durch den Offenbacher Präsidenten Horst Gregorio Canellas losgetretene Affäre um Betrug und Bestechung im deutschen Profifußball erfasste nicht nur den FC „Meineid“ Schalke 04, sondern auch den 1969 in die Bundesliga aufgestiegenen Reviernachbarn Oberhausen. RWO-Trainer Günther Brocker wurde gesperrt, Oberhausens Torschützenkönig Lothar Kobluhn bekam die „Torjäger-Kanone“ aberkannt. Trotz 24 Treffern; zwei mehr als Gerd Müller. Während Schalke den Skandal überstand, kehrte RWO nie wieder in die erste Liga zurück. „Den aktuellen Fall kann man nicht mit 1971 vergleichen“, sagt Lothar Kobluhn, der am Samstag einer der Ehrengäste bei der 100-Jahr-Feier sein wird. Über den alten Skandal mag Kobluhn nicht sprechen: „Ich hab kaum noch Kontakt zu RWO.“ Das 0:2 gegen Aue habe er im Fernsehen verfolgt, erzählt der 61-Jährige, das Eigentor zum 0:1 habe „schon komisch“ ausgesehen. Absicht will Kobluhn dem RWO-Spieler aber nicht unterstellen: „Das kann mal passieren.“ ROLAND LEROI/M. TEIGELER