Keine Chance für Textilien ohne Zertifikat

Auf Initiative der lokalen Arbeitsgruppe der Menschenrechtsorganisation „terre des hommes“ unterstützt die Stadt Bonn Boykottmaßnahmen gegen Geschäftspartner, die Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit vertreiben

Bonn taz ■ Als bundesweit zweite Kommune nach München hat die Bundesstadt Bonn ihren Willen erklärt, keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit mehr zu kaufen. Zurück geht diese Initiative auf einen Bürgerantrag der lokalen Arbeitsgruppe der Menschenrechtsorganisation „terre des hommes“. Ausgehend von diesem Antrag hat das Liegenschaftsamt künftig insbesondere Produkte aus Afrika, Südamerika und Asien im Visier. Dazu gehören Sportartikel, Natur- und Pflastersteine, Holzprodukte und Textilien, aber auch Tees, Orangensaft und Kakao. Das Kinderhilfswerk schätzt, dass weltweit rund 250 Millionen Kinder unter 14 Jahren regelmäßig einer Arbeit nachgehen, bei der sie erheblichen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt sind.

Schon im Sommer hat der Rat der Stadt für diese Boykotterklärung grünes Licht gegeben, doch bei der Umsetzung betreten die Verantwortlichen eine juristische Grauzone. Entsprechend vorsichtig geht die Stadt vor, hier hat man sich für ein dreistufiges Verfahren entschieden.

In einem ersten Schritt verschickte die Stadt Anschreiben an Betriebe, Firmen und die Industrie- und Handelskammer Bonn/ Rhein-Sieg, in denen die künftigen Geschäftspartner von der geänderten Vergabepraxis in Kenntnis gesetzt werden. Der nächste Schritt fordert von den Geschäftspartnern entweder ein unabhängiges Zertifikat für ihre Produkte, wie das Fair-Handels oder Rugmarksiegel, oder zumindest eine verbindliche Zusage des Unternehmens darüber, dass die Produkte nicht mittels Kinderarbeit hergestellt wurden, oder das Unternehmen Maßnahmen gegen Kinderarbeit eingeleitet hat. Hält der Anbieter diese Anforderungen nicht ein, wird er von der Vergabe ausgeschlossen.

Diese Forderungen sind streng genommen nicht rechtmäßig. Denn das „Vergabeunwesen“, so der Leiter des Bonner Liegenschaftsamts, Martin Krämer, legt fest, dass lediglich Anforderungen an das Produkt selbst gestellt werden dürfen. Alle anderen Kriterien heißen im Verwaltungsdeutsch „vergabefremd“ und sind irrelevant.

„Unser System ist so, dass wir Anforderungen an das Produkt stellen können, aber was verboten ist, ist, dass wir auch Anforderungen an die Herstellungsweisen des Produkts stellen“, berichtet Krämer. Nach diesem Stand der Dinge könnte ein Anbieter sein Recht bei der Vergabe eines Auftrags einklagen, auch wenn seine Produkte mit Hilfe von Kinderarbeit hergestellt wurden, sie aber den vorrangigen Anforderungen an Qualität oder Wirtschaftlichkeit des Angebots Genüge tun.

Doch auch wenn die in Bonn eingeleiteten Maßnahmen bislang durch keine nationale Gesetzgebung ausdrücklich geregelt sind, glaubt Krämer nicht, dass es zu größeren Problemen kommen wird. Die etwas wacklige rechtliche Grundlage sieht er dadurch umgangen, dass man den Firmen durch die Selbstverpflichtungserklärung „den Schwarzen Peter zuschiebt, in der Erwartung, dass sich niemand traut, das nicht zu unterschreiben“, meint Krämer.

Das „Nein“ zur Kinderarbeit soll indes kein Papiertiger bleiben. Deswegen soll in einem dritten Schritt künftig stichprobenartig untersucht werden, ob die Vertragspartner sich an die Regeln halten. „Wir sind sehr an der Einhaltung interessiert und werden regelmäßig nachhaken, dass sich da kein Schlendrian einschleicht“, kündigt Heinz-Josef Houf vom Liegenschaftsamt an. Darüber, dass eine lückenlose Überprüfung wahrscheinlich nie ganz möglich sein wird, ist man sich in Bonn bewusst. Um sie dennoch weitestgehend zu gewährleisten, sucht man nach unabhängigen Kontrollinstanzen. „Sondierungsgespräche“, so Houf, wurden deswegen unter anderem schon mit dem TÜV geführt. Martin Ochmann