Rettung naht

Die Koalition versucht heute noch mal den Kompromiss in Sachen Presse-Kartellrecht. Es könnte sogar klappen

Wenn wochenlang öffentlich über eine anstehende Entscheidung erregt diskutiert wird und die Debatte dann plötzlich für längere Zeit völlig abtaucht, ist meistens etwas im Busch. Da macht das Tauziehen um die Neufassung des besonderen Kartellrechts für die Presse keine Ausnahme. Ruhig war es hier seit langem. So ruhig, dass bei der heute Nachmittag anstehenden Verhandlungsrunde von Bündnisgrünen und SPD glatt ein Ergebnis herauskommen könnte.

Der letzte Hemmschuh heißt allerdings wieder einmal Berlin. Hier gehört Holtzbrinck bekanntlich schon der Tagesspiegel, die Berliner Zeitung hatte der Stuttgarter Medienkonzern dazugekauft und war damit beim Kartellamt gescheitert. Jetzt ist im Rahmen der Freigabe von Kooperationen zwischen formal unabhängigen Verlagen offenbar eine Lösung in greifbarer Nähe, die beide Parteien mittragen könnten: Danach würde eine in wirtschaftlicher Not befindliche Zeitung (beispielsweise der Tagesspiegel) mit einem, maximal zwei anderen Blättern (zum Beispiel Berliner Zeitung) sehr weit reichende Kooperationen vereinbaren dürfen. Über diese begrenzte „Freischussregelung“ hinaus würden Kooperationsvorhaben von Titeln, die über eine bestimmte Umsatzschwelle hinausgehen, weiterhin dem Kartellamt zur Überprüfung angezeigt werden müssen.

Damit soll versucht werden, „Fusionen durch die Hintertür“ auf dem Umweg über weit reichende Kooperation in den Bereichen Verlag, Druck, Anzeigen und Vertrieb zu verhindern. Die Redaktionen der beteiligten Titel müssen in jedem Falle unabhängig und getrennt voneinander weitergeführt werden.

Dieses Lösungsmodell bleibt fragwürdig, schafft aber im politischen Bereich die Quadratur des Kreises: Die SPD steht unter dem Druck ihres Parteifreunds und zuständigen Wirtschaftsministers Wolfgang Clement. Der, ist zu hören, verlange in jedem Fall eine für Holtzbrinck annehmbare Lösung des Berliner Debakels. Clement hatte zunächst sogar die fast völlige Freigabe des Pressefusionsrechts gefordert.

Die Grünen wiederum hätten grundsätzlich ihre Forderungs durchgesetzt, vor allem Kooperation bei kleinen und mittleren Verlagen zu vereinfachen, einen Missbrauch durch die Großkonzerne aber weitestgehend auszuschalten. STEFFEN GRIMBERG