Unter Arbeiterführern

RÜTTGERS CLUB Der NRW-Ministerpräsident und CDU-Politiker hat sich mit den tonangebenden Medien an Rhein und Ruhr arrangiert – zu seinen Bedingungen

Reitz hat der WAZ einen bürgerlicheren Ton verpasst und weitere Posten besetzt

VON BORIS ROSENKRANZ

Der „Arbeiterführer“ Jürgen Rüttgers gab sich am Tag der Arbeit alle Mühe: Vor der DGB-Kundgebung am 1. Mai in Remscheid wetterte der NRW-Ministerpräsident gegen Manager, die nur auf Aktien kucken, und gegen „Klugscheißer“, die Opel „schrottreif“ reden. Kurz: Der CDU-Mann war ganz in seinem Element – das in NRW bis vor Kurzem eigentlich einer anderen Partei gehörte.

Seit vier Jahren regiert Rüttgers nun – und versucht, SPD-Wähler abzufischen. Als neue Verbündete kann er dabei die mächtigsten Medien in Deutschlands größtem Bundesland begrüßen: Beim Westdeutschen Rundfunk (WDR) in Köln wie beim mächtigen WAZ-Konzern in Essen (WDR) sind die Beziehungen zur schwarz-gelben Landesregierung höchst entspannt.

Rüttgers weiß, wie er sich Leute ins Boot holt, die politisch eigentlich nicht auf seiner Seite stehen. Bodo Hombach zum Beispiel. Der Geschäftsführer der Essener WAZ-Mediengruppe ist ein SPD-Schwergewicht, war Kanzleramtschef unter Gerhard Schröder. Jetzt sitzt Hombach in der „Zukunftskommission 2025“. Allerdings nicht der Zukunftskommission der SPD, sondern der von Jürgen Rüttgers.

Die Genossen staunten nicht schlecht, als Hombach dort auch noch gleich den stellvertretenden Vorsitz übernahm und vor drei Wochen in Vertretung des erkrankten Vorsitzenden den Abschlussbericht präsentierte. In der SPD sind nicht eben wenige richtig sauer auf Hombach.

Auch beim WDR hatten Rüttgers’ Charmeoffensiven Erfolg: Weil sich die ARD-Anstalt vom letzten SPD-Ministerpräsidenten Peer Steinbrück ungeliebt fühlte, lud Rüttgers schon lange vor seiner Wahl 2005 den damaligen Intendanten Fritz Pleitgen zur CDU-Klausurtagung ein.

Nun sind Bodo Hombach, wie auch Pleitgen oder die heutige WDR-Intendantin Monika Piel, natürlich unverdächtig, CDU-Parteigänger zu sein. Aber man kann überraschend gut miteinander – und wenn demnächst die arbeitnehmerfreundliche CDU-Variante à la Rüttgers einen ähnlichen Status wie einst die über 39 lange Jahre im Land regierenden Sozialdemokraten hat, liegt das auch an den Medien an Rhein und Ruhr. „Es ist ganz deutlich festzustellen in NRW, dass Politiker aus dem konservativen Lager öfter in den Zeitungen vertreten sind, sowohl im Mantel als auch in den Lokalteilen“, sagt der Grünen-Politiker Oliver Keymis, Vizepräsident des NRW-Landtags.

Auch die umstrittene Online-Kooperation von WDR und WAZ wurde 2008 in Rüttgers’ Amtszimmer in der Düsseldorfer Staatskanzlei besiegelt – und der CDU-Landeschef stand stolz Pate.

Früher wäre das undenkbar gewesen. „Die ökonomische Situation zwingt Zeitungen dazu, den Schulterschluss mit der Politik zu suchen. Wenn die Zeiten schwieriger werden, lehnt man sich eben an jene an, die das Sagen haben“, sagt Keymis dazu. Im übertragenen Sinne gilt das wohl auch für den WDR: In der medienpolitischen Schlacht ums Internet kamen aus NRW, anders als dem unionsregierten Bayern oder Baden-Württemberg, ganz zurückhaltende Töne. Und auch die WAZ bekommt ihre Belohnung: Der neue Entwurf des NRW-Mediengesetzes soll es Zeitungsverlagen leichter machen, sich an privaten Regionalsendern zu beteiligen.

Soeben hat Rüttgers einen weiteren einflussreichen Medienmann ins Boot geholt: Hartmut Ostrowski, den Vorstandschef der Bertelmann AG, zu der unter anderem die RTL-Sendergruppe, Buchverlage und die Mehrheit an Gruner + Jahr gehören. Er darf in zwei Wochen zur Bundesversammlung fahren, um als von der CDU-Landesregierung nominierter Wahlmann den Bundespräsidenten zu wählen. Ostrowski ist parteilos. Doch Rüttgers und er „kennen und schätzen sich“, wie CDU-Landesprecher Matthias Heidmeier unumwunden zugibt. Bei Bertelsmann sehen das nicht alle so entspannt: Ostrowski sei ja doch eher ein Repräsentant der Service-Sparte Avarto als des Medienkonzerns, heißt es dazu in Gütersloh.

Die Medienlandschaft des größten Bundeslandes hat sich gewandelt, auch politisch. Über Jahrzehnte galt Bertelsmann automatisch als SPD-nah, nicht zuletzt wegen Bertelsmann-Patriarch Reinhard Mohn, der sich gern als Vorreiter sozialen Unternehmertums feiern lässt. Heute wirkt Bertelsmann politisch eher grau – und auch das ist gut für Rüttgers.

Noch deutlicher ist bei der WAZ-Gruppe zu beobachten, wie ein Verlag, der einst eher SPD-rot war, sich nun den Christdemokraten zumindest öffnet. Mit Ulrich Reitz steht seit 2005 ein relativ CDU-naher Chefredakteur der WAZ – und demnächst der gemeinsamen Mantelredaktion aller Konzerntitel im Ruhrgebiet – vor. Geholt hat man ihn von der Rheinischen Post, dem Düsseldorfer Haus-und-Hof-Blättchen der CDU. Wes Geistes Kind er ist, daraus macht der Schäuble-Biograf keinen Hehl. Inzwischen auch auf die Geschäftsführungsebene vorgerückt, hat Reitz der WAZ einen bürgerlicheren Ton verpasst und weitere Posten besetzt: Mitte 2006 wurde Katharina Borchert, die Tochter des früheren CDU-Bundesministers Jochen Borchert, Online-Chefin. Und 2008 beförderte Reitz die Tochter des einstigen CDU-Bundestagsabgeordneten Christian Lenzer, ebenfalls zuvor bei der Rheinischen Post, zur WAZ-Tochter Westfälische Rundschau. Kathrin Lenzer wurde – allerdings nur kurzlebige – Chefredakteurin beim ehemaligen SPD-Parteiblatt, an dem die Medienholding der Partei noch heute Anteile hält.

Und in noch einer Personalie zeigt sich der neue Kurs: WAZ-Marketingchef Stefan Zowislo ist bei den anstehenden Kommunalwahlen CDU-Oberbürgermeisterkandidat in Mülheim an der Ruhr. Was der SPD-Unterbezirk Mühlheim bzw. sein stellvertretender Vorsitzender davon halten, ist bislang nicht überliefert. Sein Name aber schon: Bodo Hombach.