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So grillt die Welt

FLEISCH taz-AuslandskorrespondentInnen berichten vom Rand des Rostes

„Die Gewürze, das Olivenöl auswählen, all das war bei mir noch verquer“

Erich Rathfelder, Korrespondent

Parilla Argentina: Grillen ist in Argentinien so selbstverständlich wie Kochen auf der Herdplatte. Asado heißt hierzulande der Vorgang, der Grill selbst ist die Parilla. Wer nicht zu Hause grillt, geht auf einen der unzähligen öffentlichen oder privaten Grillplätze.

Auf die Parilla kommt vor allem Rind. Aber auch Schweine, Schafe, Ziegen und Hähnchen tummeln sich auf dem Rost oder brutzeln aufgespießt am Rand einer Feuerglut. Ein klassisches Asado geht über mehrere Stunden und hat meist folgenden Ablauf: Typische Einsteiger sind Chorizos (fetttriefende Würste) und Morcillas (fein gewürzte Blutwürste mit und ohne Speckschwarten oder Rosinen). Selten, aber beliebt ist Provoleta, eine knusprig gegrillte Scheibe Hartkäse, Pflicht hingegen Asado de tira: Das etwa zehn Zentimeter breite Band aus quer durchgesägten Rinderrippen und hoffentlich üppig mit Fleisch ummantelt wird der Länge nach auf den Grill gelegt. Gemischte Salate gibt es auch noch.

JÜRGEN VOGT, BUENOS AIRES

Nyama Choma in Kenia: Seitdem der Nachbar zum Grillen einlud, ist das Meckern seiner Ziege verstummt. Und jeder Gast muss helfen, das Grillen auf kenianische Weise zu einem Fest zu machen: Mit scharfen Messern wird das Ziegenfleisch in Stücke geschnitten für das Nyama Choma, heißes Fleisch, wie Grillen in Swahili heißt. Die nicht so feinen Teile werden klein geschnitten, mit Blut, Öl, Salz und viel Pfeffer übergossen. Die Gedärme der Ziege werden vorsichtig leer gedrückt, die Haut wird gewaschen und die gepfefferte Fleischmasse hineingestopft.

Neben dem Fleisch und der blutigen Wurst stehen zwei Töpfe auf dem riesigen, heißen Grill. In einem wird Ugali (Maismehl) gekocht, in anderem wird vom Ziegenkopf eine herzhafte Suppe gezogen. Während man mit ein paar Flaschen Bier auf das Essen wartet, trocknet die gesäuberte Ziegenhaut auf der Wäscheleine. ILONA EVELEENS, NAIROBI

Kotelettes von Abraham und Sarah: Am israelischen Unabhängigkeitsfest geht es den kleinen Schäfchen, Hühnern, aber auch dem ein oder anderen Schwein an den Kragen. Dann werden „Shishliks“ zubereitet aus gewürfelter Hähnchenbrust, die meist in Kombination mit frischer Paprika und Zwiebeln auf einen Holzspieß kommen, Kebabs geformt und Steaks mariniert.

Weit über die Grenzen ihres eigenen Moschaws Kfar Harif bekannt sind Abraham und Sarah für ihr breites Angebot ausgerechnet an dem unkoscheren „weißen“ Fleisch der grunzenden Vierbeiner, das sie in Form von Würstchen, Koteletts oder Steaks vermarkten. Das Ehepaar mit den biblischen Namen hat mit der Einwanderungswelle aus den ehemaligen Sowjetstaaten viele neue Kunden gewonnen und hält seit ein paar Jahren auch Kartoffel- und Krautsalat im Angebot bereit.

Die alteingesessenen Israelis bleiben eher Humus (Erbsbrei) und Auberginensalat treu, den man mit einer dicken Soße aus gemahlenen Sesamsamen, Petersilie, Knoblauch und Zitrone verfeinert. All das wird zusammen mit dem frisch gegrillten Fleisch in eine Pita (Fladenbrot) gepackt.

SUSANNE KNAUL, JERUSALEM

Dalmatinischer Rosmarin-Qualm: Vor ein paar Jahren noch machte ich alles falsch. Der mich beobachtende Nachbar schlug die Hände über den Kopf zusammen. Die Fische ausnehmen konnte ich zwar, aber die richtige Temperatur finden, die Gewürze, das Olivenöl auswählen, das alles war bei mir noch nordisch verquer.

Es gehört sich an der Adria, zumindest einmal in der Woche das aus Stein gebaute Grillhäuschen im Garten anzuheizen. Erst schön mit Kiefernzapfen aus dem Wald, dann mit dem Holz, am besten natürlich mit Rebstöcken, aber wer hat die schon. Der eiserne Grill muss mit Olivenöl vom Nachbarn eingerieben sein, die Fische werden ebenso eingerieben, kein Salz natürlich – „die Fische schwimmen doch im Salzwasser“, schreit der Nachbar herüber –, und mit frischem Rosmarin aus dem Garten. Das Holz muss zu Glut zerfallen, oben schon ein bisschen schwarz, dann gibt’s die richtige Temperatur. Frischen Rosmarin an die Ränder, der Qualm gibt Geschmack. ERICH RATHFELDER, ZAGREB

Brasilianische Brater:

In Rio Grande do Sul, Brasiliens südlichstem Bundesstaat, ist immer Grillsaison. Unangefochtener Klassiker bei Sonntagsmittagsgeselligkeiten ist das Churrasco. Per Gesetz wurde es vor Jahren sogar zum Nationalgericht gekürt. Üblicherweise betätigen sich ein oder mehrere Männer als Assadores, also Brater. Sie stecken Würste, Hühnerherzen und edle Rindfleischpartien auf Doppelspieße und wenden sie im richtigen Moment über der Holzkohlenglut. Zusammen mit dem gewürzten Maniokmehl Farofa bilden Wurst und Herzen die Vorspeise.

Besonders beliebt in den einschlägigen Lokalen, den Churrascarías, sind die Rodízios: Wuselnde Kellner servieren das Fleisch im Rotationsverfahren bis zum Abwinken. Neuerdings vergibt die Universität der Kleinstadt Lajeado Jahr für Jahr um die 100 Churrasqueiro-Diplome – sogar an Frauen, was im Land der Gaúchos als untrügliches Zeichen nahender Gleichberechtigung gelten darf.

GERHARD DILGER, PORTO ALEGRE

Spaniens Sardinen, die stinken: Wenn die Spanier zur „Barbacoa“ laden, dann wird es deftig. Von Hammelkoteletts über Schweinesteaks, Chorizo bis hin zur Blutwurst kommt alles auf den Rost. Und als besonderer Leckerbissen gelten Sardinen. Kilometerweit stinkt dieser Spaß zum Himmel. Deshalb findet eine gute Grillfete traditionellerweise irgendwo auf dem Lande statt. Doch Traditionen geraten in Vergessenheit, so auch in Spanien, das in den letzten Jahren dank Demokratie und EU einen unvergleichlichen Wirtschaftsboom erlebte. Die Neureichen grillen deshalb immer öfter im kleinen Garten hinter dem „Chalet“ oder dem Reihenhaus in einer der unzähligen monotonen Siedlungen an den Ausfallstraßen der Städte. REINER WANDLER, MADRID

Grillen mit ©TOM in Irland: Es war einer der seltenen grilltauglichen Tage in Irland. Zeichner ©TOM und seine Freundin Anette saßen im Garten in der Sonne, und Anette sagte: „Wenn man jetzt einen Grill hätte, wäre der Tag perfekt.“ Kein Problem, meinte ich, und kramte eine Kiste mit tausend Einzelteilen aus dem Dachboden: ein Landmann-Gasgrill. Die Bauanleitung war längst verloren gegangen, was ©TOMs Ehrgeiz umso mehr anstachelte. Nach drei Tagen war das Gerät fertig, auch wenn ein paar Teile übrig blieben. Leider hatte sich das Wetter inzwischen gewendet, sodass der Probelauf verschoben werden musste. Die Gäste waren längst zurück in Berlin, und ©TOM verfolgte die Inbetriebnahme des Grills besorgt am Telefon. Natürlich gab es Würste, das beliebteste Grillgut der Iren. Es ging alles gut, der Gasgrill flog uns nicht um die Ohren, und seitdem warten wir auf den nächsten grillfreundlichen Tag.

RALF SOTSCHECK, DUBLIN

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