Auf der Suche nach den letzten Christen

PILGERREISE Zum ersten Mal besucht Papst Benedikt XVI. in der kommenden Woche Israel und Palästina – ein Megamedienereignis, bei dem es vor allem darum geht, die aufgestellten politischen Fallen zu umschiffen

Historisch: Erst dritte Pilgerfahrt eines Papstes nach Israel und Palästina in der Neuzeit. Letzte Reisen ins Heilige Land 1964 von Paul VI. und im Jahr 2000 von Johannes Paul II.

■ Jordanien: Seit Freitag ist Papst Benedikt XVI. in Jordanien. Sonntag feiert er eine Messe im Stadion von Amman.

■ Israel: Ab Montag in Jerusalem. Dort Höflichkeitsbesuch bei Staatspräsident Peres, Stippvisite der Holocaustgedenkstätte Jad Vaschem. Klagemauer am Dienstag. Donnerstag und Freitag wieder in Israel: Messen und Treffen mit politischen und religiösen Vertretern, insbesondere der verschiedenen christlichen Kirchen.

■ Palästinensergebiete: Mittwoch Treffen mit Palästinenserpräsident Abbas in Bethlehem, Messe auf dem Krippenplatz und Besuch eines Flüchtlingslagers.

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Knapp eine Woche lang pilgert Papst Benedikt XVI. auf den Spuren von Jesus Christus nach Bethlehem, Nazareth und Jerusalem. Die Pilgerreise ins Heilige Land eint Juden und Araber, soweit sie Geschäftsleute sind, in ihrer Hoffnung auf wachsenden Tourismus und den entsprechenden Umsatz. Der Rest der Region verfolgt dieses größte Medienereignis des Jahres entweder mit Langeweile – oder mit Skepsis.

Mit seiner „Mission des Friedens und der Versöhnung“, wie es offiziell heißt, folgt der Papst einer Einladung des israelischen Staatspräsidenten Schimon Peres. Allerdings betonen die Organisatoren auf katholischer Seite immer wieder, dass es sich strikt um eine Pilgerreise handele, bei der Politik und Religion keinesfalls miteinander vermischt werden sollen.

Das aber dürfte schwierig werden. Schon das Programm am ersten Tag löst auf palästinensischer Seite Protest aus, weil der Papst nicht nach Gaza fährt, wie es sich etwa der griechisch-orthodoxe Erzbischof Atallah Hanna gewünscht hätte, sondern die Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem besucht. „Bevor er Solidarität mit den Juden demonstriert, sollte er sich mit den Christen Palästinas solidarisieren“, so schimpft der Erzbischof. „Wir haben unsere eigenen tragischen Erinnerungen.“

Jad Vaschem stand auch auf dem Programm des letzten Papstbesuches. Die Stationen Benedikts sind nahezu identisch mit denen von Johannes Paul II. vor neun Jahren. Auch Benedikt besucht neben den christlichen Highlights der Geburtskirche, der Verkündigungskirche, Gethsemane und der Grabeskirche noch die jüdische Klagemauer und ein palästinensisches Flüchtlingslager.

Die Palästinenser erwarten, dass sich Benedikt klar auf ihre Seite schlägt – schließlich hatte der Vatikan den damaligen PLO-Chef Jassir Arafat schon 1982 offiziell in Empfang genommen, lange bevor Israel den Boykott gegen ihn aufhob. „Der Vatikan war immer sehr offen für den Dialog mit der PLO“, meint Bernard Sabella, Soziologieprofessor und einer der wenigen römisch-katholischen Abgeordneten im palästinensischen Parlament. Ein Kratzer an den guten Beziehungen blieb jedoch seit den Äußerungen des Papstes gleich zu Beginn seiner Amtszeit, als er den byzantinischen Kaiser Manuel Palaiologos zitierte, der dem Propheten Mohammed „Böses und Unmenschlichkeit“ zuschrieb.

Die „Islamische Bewegung – Nordabschnitt“ rief gar zum Boykott des Papstes auf. Solange sich Benedikt für seinen Schnitzer nicht entschuldige, brauche er nicht zu kommen, sagte der Chef der Bewegung, Scheich Dschamal Chatib, und rief seine Anhänger auf, während des Besuchs die Läden geschlossen zu halten und zu Hause zu bleiben. Den Propheten zu beleidigen „ist ein Verbrechen“.

Auf der Agenda der Christen, die nur noch gut 2 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen, steht der Rückgang der Zahl ihrer Gemeindemitglieder. Die Christen selbst stellen eine zunehmend schwindende Minderheit dar. Zwischen 160.000 und 200.000 Christen der verschiedenen Konfessionen und Strömungen leben derzeit noch in Israel und den Palästinensergebieten. Die Mehrheit der palästinensischen Christen hat ihre Heimat längst verlassen. Bernard Sabella schreibt die Abwanderung seiner Glaubensbrüder ausschließlich der politischen und wirtschaftlichen Misere zu; religiöse Gründe für den Weggang sieht er nicht. Auch muslimische Palästinenser wandern ab, wobei Christen es aufgrund ihrer sozioökonomischen Situation leichter haben, ein neues Leben im Ausland zu beginnen.

„Bevor der Papst Solidarität mit den Juden demonstriert, sollte er sich mit den Christen Palästinas solidarisieren. Wir haben unsere eigenen tragischen Erinnerungen“

Erzbischof Atallah Hanna

18.000 Christen aus dem Westjordanland, das ist etwa ein Drittel aller dort lebenden Christen, haben Ausreisegenehmigungen für den Papstbesuch erhalten. Aus dem Gazastreifen sollen rund 100 Christen kommen. Die israelischen Sicherheitskräfte stehen in Höchstbereitschaft und halten sogar das Papa-Mobil für nicht gut genug, um für das Wohl des Papstes garantieren zu können.

Es ist zu vermuten, dass Benedikt mit seinen israelischen Gastgebern auch über den Wunsch nach mehr Bewegungsfreiheit für die Palästinenser sprechen wird. Umgekehrt haben die Juden ihre eigenen Anliegen. Die Rehabilitierung des Holocaust-leugnenden Bischofs Richard Williamson ging vielen zu schnell und seine Entschuldigung nicht weit genug. Williamson hatte seine „unbedachte“ Bemerkung lediglich bedauert, weil sie „dem Heiligen Vater so viel unnötige Probleme“ gemacht hatte. Überzeugend war das nicht. Auch das Vorhaben, Papst Pius XII heiligzusprechen, belastet die Beziehungen seit langem. In Israel herrscht die Meinung vor, Pius XII. habe seinerzeit die Naziverbrechen nicht entschieden genug verurteilt und nicht genug unternommen, um Juden vor der Verfolgung zu retten. Die Rolle des jungen Joseph Alois Ratzinger in der NS-Zeit ist hingegen nur noch am Rande ein Thema.

„Wir sollten uns nicht zusätzlich Feinde suchen, wo gar keine sind“, riet Tourismusminister Stas Misezhnikov. Von ihm aus sei auch „die Sache Williamson lange vom Tisch“. Weniger großzügig zeigt sich der Tourismusminister hingegen bei der Anfrage, die Souveränität über sechs Kirchen, darunter die Verkündigungskirche, die Brotvermehrungskirche und Kapernaum an den Vatikan zu übertragen. „Wenn wir sicher sein könnten, dass dieses großartige Geschenk Millionen von christlichen Pilgern herbringt, dann hätten wir guten Grund, darüber nachzudenken“, meine Misezhnikov. Immerhin will Israel dem Vatikan künftig die städtischen Abgaben für die Kirchen erlassen.