„Ich habe Steine geworfen“

RECHTE FRAUEN Tanja Privenau ist eine der wenigen Aussteigerinnen mit Kindern. Sie sagt, Frauen in der rechten Szene sind nicht nur Mitläuferinnen – sie werden auch gewalttätig

■ Die 38-Jährige ist 2005 mit ihren Kindern aus der rechten Szene ausgestiegen. Auf einer Tagung in Berlin erzählte sie, warum auch Mädchen gewaltbereit sind.

INTERVIEW MONIKA SCHMIDTKE

taz: Frau Privenau, Sie waren 20 Jahre in der rechten Szene aktiv. Es heißt immer, viele junge Mädchen machen nur wegen Ihres Freundes mit. War das bei Ihnen auch so?

Tanja Privenau: Ich bin mit 13 in die Szene gekommen. Mich haben besonders die Männer angesprochen – da gab es noch echte Mannsbilder. Ich sehe mich aber nicht als Mitläuferin, wie es viele andere Frauen und Mädchen sind.

Warum nicht?

Ich habe meinen Freund und späteren Mann erst in der Szene kennengelernt. Und ich hatte auch Führungspositionen. Ich war Kameradschaftsführerin, ich habe Schulungen abgehalten, ich habe bei verschiedenen Schriften mitgewirkt.

Wie wichtig sind die Frauen für die Szene?

Frauen und Mädchen haben wichtige Funktionen und stärken den Zusammenhang nach innen und außen. Nach innen, weil Männer mit Freundin seltener aussteigen. Und nach außen, weil Frauen nicht so auffallen wie Männer, wenn sie Veranstaltungssäle buchen.

Sind denn alle Frauen in der rechten Szene eher brav auftretende Aktivistinnen, oder werden sie auch gewalttätig?

Wenn ich auf der Straße demonstriert habe, gegenüber linken Gruppen und auch der Polizei, sind Pflastersteine geflogen. Und in meiner wilden Kampfzeit habe auch ich Plastersteine geworfen. Alles andere wäre in einem Mob von aufgebrachten Rechtsradikalen auch unklug.

Sie sind schon mit 13 Jahren in die Szene eingestiegen. Wann haben Sie das erste Mal an einen Ausstieg gedacht?

Meine fünf Kinder, die ich während der Zeit bekommen habe, waren ausschlaggebend. Vor allem die beiden Ältesten wollten nicht mehr.

Welche Probleme hatten Ihre Kinder?

Meine Tochter Marrit wurde damals als 8-Jährige aus ihrer Schule ausgeschlossen, als unsere Einstellung dort bekannt wurde. Ich fand das schockierend, wie die Schule damit umgegangen ist. Aber Marrit hat gesagt: „Was kann ich dafür, dass meine Mutter so denkt?“ Außerdem wurde mein geistig behinderter Sohn auf einer rechten Jugendfreizeit eingesperrt und geschlagen. Das war das i-Tüpfelchen.

Sie sind eine der wenigen Frauen, die mit Kindern ausgestiegen sind. Wie gelang Ihnen das?

Seit 2002 haben wir versucht, auszusteigen – mit Hilfe des Verfassungsschutzes. Es war vieles nicht geregelt, etwa ob meine Kinder und ich eine neue Identität bekommen können. Wir sind dann noch mal bis 2005 zurück in die Szene. Mein Mann hat gemerkt, dass etwas nicht stimmt, und wurde gewalttätig. 2005 bin ich mit der Aussteigerinitiative Exit dann raus. Wir haben jetzt eine neue Identität.

Was ist bei Ihren Kindern hängen geblieben?

Manche Dinge sind in Fleisch und Blut übergegangen, die noch nicht aufgearbeitet wurden. Die Kinder wollten lange keine Sachen mit amerikanischer Aufschrift anziehen – das ist in der Szene meist verpönt. Meine Tochter färbt sich aber mittlerweile die Haare und trägt Jeans.

Haben Sie sich Ihr Leben verbaut?

Natürlich ist es schwer, sich ein normales, neues Leben aufzubauen und unter diesen Bedingungen zu leben. Ich denke mir dann immer, du bist ja erst 38 Jahre, und es geht schon weiter.