Banal und bieder

„La fille mal gardée“: Eine überflüssige Hommage des Hamburg Balletts an Frederick Ashton

Am Ende war man enttäuscht. Tänzerisch und choreographisch konnte die Ballettkomödie La fille mal gardée in der Einstudierung mit dem Hamburg Ballett zwar begeistern und auch den einen oder anderen Lacher verbuchen. Die schlichte Liebesgeschichte mit ihrer naiven Personage überzeugte das an psychologisch motivierte Rollenentwicklungen und den ästhetischen Purismus John Neumeiers gewöhnte Publikum allerdings kaum. Da stellte sich nach der Premiere am Sonntag in der Staatsoper ganz ernsthaft die Frage, ob Hamburg ein solches Ballett eigentlich braucht.

Der britische Choreograph Frederick Ashton, unter dessen Leitung das Royal Ballet in London in den 50er und 60er Jahren große Erfolge feierte, hatte das Stück 1960 kreiert. Ein Bauernballett, temporeich, dynamisch und choreographisch durchaus raffiniert. Die Geschichte ist schnell erzählt: Die eigensinnige Lise liebt den Bauernjungen Colas und kriegt ihn auch, obwohl ihre Mutter, die Witwe Simone den tölpelhaften, reichen Winzerspross Alain für ihre Tochter vorgesehen hatte.

Anlass für die Aufnahme ins Hamburger Repertoire ist Ashtons diesjähriger 100. Geburtstag. Alexander Grant, Tänzer in der Urbesetzung des 1988 verstorbenen Choreographen, hat zusammen mit Jane Elliot in seiner Einstudierung gute Arbeit geleistet. Denn Ashtons Stil, der Pantomime, volkstümlich gefärbten Charaktertanz mit virtuoser Klassik verbindet, hat es in sich. Erfrischend tanzt Silvia Azzoni die Lise. Alexandre Riabko, technisch brillant, bleibt in der Rolle des handfesten Colas zu sehr der klassischen Prinzenrolle verhaftet. Hinreißend komisch gestaltet Yukichi Hattori den Alain. Kevin Haigen läuft in der traditionell männlich besetzten Rolle der Witwe zu Höchstform auf und begeistert im furiosen Holzschuhtanz. Über Tänzer, die sich im Federkleid zu Hahn und Hennen aufplustern, lassen die schwungvollen Ensemble-Choreographien hinwegsehen.

Die ursprüngliche Fassung des Balletts, die Ashton als Vorlage diente, erlebte 1789 in Paris ihre Uraufführung und hat im Zuge der französischen Revolution Ballettgeschichte geschrieben. Zum ersten Mal standen nicht der Adel oder mythische Gestalten auf der Bühne, sondern Menschen aus dem Volk. Doch was damals revolutionär war, wirkt heute bieder und banal. Marga Wolff

nächste Vorstellung: So, 19.12., 19.30 Uhr, Staatsoper