Kein kommerzieller Kurzschluss

Öko-Institut: Unsere Stromzertifikate stehen nicht im Widerspruch zum Erneuerbare-Energien-Gesetz. Eine Erwiderung auf die Vorwürfe von Hermann Scheer

Lieber eine konstruktiv-kritische Zusammenarbeit als eine polarisierende Debatte

In einem Meinungsartikel mit dem Titel „Kommerzieller Kurzschluss“ (taz vom 13. 12. 2004) hat Hermann Scheer die Tätigkeit des Öko-Instituts im Zusammenhang mit dem „Renewable Energy Certificate System“ (RECS) kritisiert. Der Autor lässt an verschiedenen Stellen Unkenntnis in der Sache erkennen und stellt unzutreffende Behauptungen über das Öko-Institut und seine Arbeit auf.

Zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien ist das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) das bisher erfolgreichste Modell in Europa. Der Zuwachs der geförderten Anlagen auf heute knapp 7 Prozent des inländischen Stromverbrauchs ist ein beeindruckender Beweis dieses Erfolges. Es wäre jedoch ein Fehler, sich auf den bisherigen Erfolgen auszuruhen und eine Weiterentwicklung des Fördermodells zu verweigern. Denn es ist erforderlich, die Förderung mit den künftigen Herausforderungen auf europäischer Ebene besser kompatibel zu machen.

Für das EEG sind hier vor allem zwei „Knackpunkte“ zu nennen. Zum einen muss der Beweis erst noch erbracht werden, dass die staatlich vorgeschriebenen Mindestabnahmepreise für erneuerbaren Strom mittel- und langfristig zu der erwarteten Kostenabnahme je erzeugte Kilowattstunde führen werden. Zum anderen ist der europäische Binnenmarkt für Strom eine Realität, die als Randbedingung für alle Fördermodelle für Strom aus erneuerbaren Energien gilt. Das heutige EEG hat hier noch Defizite.

Bei der weiteren Entwicklung des EEG werden diese beiden Punkte Beachtung finden müssen. Dabei sollte Deutschland in der Diskussion auf europäischer Ebene durchaus selbstbewusst auftreten. Denn die mit dem EEG konkurrierenden Fördermodelle, allen voran die Quotenmodelle in Großbritannien, Schweden und Italien haben noch keinen Beweis ihrer Wirksamkeit erbracht. Dennoch müssen auch die Einspeisemodelle im Hinblick auf ihre Transparenz und ihre Einpassung in den Strommarkt weiter entwickelt werden.

So weist das EEG ein relativ intransparentes Verrechnungsverfahren zur Verteilung der eingespeisten Strommengen auf alle Stromversorger auf. Verbesserungen wären möglich, wenn für dieses Verfahren künftig europaweit kompatible Herkunftsnachweise genutzt würden. Wenn andere Länder vergleichbar hohe Einspeisesätze anböten, könnten die Fördermodelle Deutschlands und dieser Länder für eine grenzüberschreitende Nutzung geöffnet werden.

Die Herkunftsnachweise können also ein Schlüssel dafür sein, das deutsche EEG besser mit den Anforderungen auf europäischer Ebene kompatibel zu machen, ohne seine Förderwirkung zu beeinträchtigen. Sie schaffen aber noch viel weiter gehende Transparenz im europäischen Strommarkt. Denn der Nachweis, dass eine Stromlieferung (zum Beispiel in Form eines Ökostromproduktes) aus erneuerbaren Energien kommt, ist für Millionen von Ökostromkunden in Deutschland und Europa von großer Bedeutung. Gerade bei diesem Nachweis hat es in der Vergangenheit viele Unschärfen und Irrtümer bei Aussagen von Stromversorgern und auch Irreführungen von Stromkunden gegeben. Mit Hilfe der Herkunftsnachweise kann der Handel mit Strom aus erneuerbaren Energien künftig verlässlich abgewickelt werden.

Diese Nachweise können auch der von der EU geforderten Kennzeichnung aller Stromangebote dazu verhelfen, die Interessen der Verbraucher wirksam zu schützen. Im Rahmen der Stromkennzeichnung werden die Stromversorger verpflichtet, allen Kunden in Form eines Stromlabels Informationen zu dem Energiemix zu bieten, aus dem sie ihren Strom beziehen. Voraussetzung für ein verlässliches Label ist wiederum, dass die Herkunft des Stroms durch ein europaweit kompatibles System von Nachweisen garantiert werden kann.

Strom aus erneuerbaren Energien soll nicht mehrfach gezählt werden, Strom aus vermutlich von Kunden weniger begehrten Quellen wie Atomenergie oder Braunkohle darf nicht unter den Tisch fallen. Das Öko-Institut hat deshalb einen Vorschlag vorgelegt, wie über alle Strommengen im europäischen Netz zuverlässig Buch geführt und damit eine Täuschung der Verbraucher verhindert werden kann. Dieser Vorschlag basiert auf Herkunftsnachweisen für Strom aus allen Energiequellen und baut methodisch auf den Erfahrungen mit dem RECS-System auf.

RECS ist eine Organisation der europäischen Stromwirtschaft, die sich zum Ziel gesetzt hat, ein europaweit einheitliches System solcher Herkunftsnachweise zu schaffen, mit deren Hilfe Strom aus erneuerbaren Energien durch staatliche Instrumente oder privates Engagement gefördert werden kann. Das Öko-Institut ist als fachlich qualifizierter und unabhängiger Dienstleister für die deutschen RECS-Mitglieder tätig und wacht über die Zuverlässigkeit des RECS-Systems. In vielen anderen europäischen Ländern wird diese Rolle von einem unabhängigen Netzbetreiber oder einem staatlichen Regulierer übernommen, die es in dieser Form in Deutschland bisher nicht gibt.

Gemeinsame Sache mit „den Stromkonzernen“?Ein absurder Vorwurf

Das Öko-Institut begleitet die Entwicklung des RECS-Systems, weil die dort entwickelten Herkunftsnachweise eine große Bedeutung für die künftige Transparenz im deutschen und europäischen Strommarkt und für die Zuverlässigkeit der Fördersysteme für Strom aus erneuerbaren Energien haben können. Das Öko-Institut forscht zudem im Auftrag nationaler Stellen und der EU-Kommission unter anderem zu der Frage, wie die erneuerbaren Energien im europäischen Strombinnenmarkt effektiv gefördert und gegenüber den Verbrauchern gekennzeichnet werden können.

Als wissenschaftlich und politisch unabhängige Einrichtung ist das Öko-Institut aber weder Mitglied der RECS-Organisation, noch hat es die von RECS gemeinsam mit dem Verband Eurelectric im November 2004 veröffentlichte Erklärung unterzeichnet, die von Hermann Scheer kritisiert wird. Das Öko-Institut hält das EEG mittelfristig für das richtige Instrument, um den Strom aus erneuerbaren Energien in Europa zu fördern. Die Behauptung, das Institut würde gemeinsame Sache mit „den Stromkonzernen“ machen, um das EEG zu Fall zu bringen, ist völlig absurd. Auch der Vorwurf von Scheer, dass das Institut seine Arbeiten im Kontext von RECS vor allem wegen eines erwarteten „enormen Geschäftsbereichs“ verfolge, entbehrt jeder Grundlage. So ist RECS nur eines von derzeit über 40 Projekten, die das Institut allein im Forschungsbereich „Energie & Klimaschutz“ durchführt.

Das Institut sieht keinen Konflikt zwischen dem RECS-System und dem deutschen Fördermodell, sondern wichtige Chancen für die Transparenz im Strommarkt. Eine konstruktiv-kritische Zusammenarbeit mit innovativen Kräften aus Gesellschaft, Staat und Wirtschaft führt zudem häufiger zum Ziel als eine polarisierende politische Debatte. Diese Strategie wird auch von den Mitgliedern des Öko-Instituts unterstützt. CHRISTOF TIMPE