DAS MILDE DASCHNER-URTEIL BEDEUTET KEINEN FREIBRIEF FÜR DIE FOLTER
: Im Licht der Öffentlichkeit

Wolfgang Daschner, der ehemalige Frankfurter Polizeivizepräsident, hat eine denkbar milde Strafe erhalten. Für seine Gewaltandrohung gegenüber dem Entführer und Mörder Magnus Gäfgen wurde er lediglich verwarnt. Das Gericht hielt dem Angeklagten zugute, dass er unter Stress gestanden und gute Absichten gehegt habe.

Innenpolitisch bedeutet das Urteil sicher keinen Dammbruch. Jeder Polizist weiß nun, dass Konstruktionen wie der „übergesetzliche Notstand“ in solchen Fällen nicht gelten, dass es also zumindest ein Straf- und Disziplinarverfahren und viel öffentlichen Wirbel geben wird. Auch Daschner ist durch die Versetzung in die Verwaltung, die er als Schmach empfindet, bereits genug bestraft.

Bedenklich ist das Urteil, weil es im Ausland falsch verstanden werden könnte. Wie kann man die Türkei noch glaubwürdig kritisieren, wenn es dort milde Urteile für rechtsstaatswidrige Polizeimethoden gibt? Und muss die Milde, die man in einem tragischen Entführungsfall aufbringt, nicht erst recht gegenüber den USA gelten, die in einen schwierigen Antiterrorkampf verstrickt sind?

Wichtig an dem mehrwöchigen Prozess war vor allem eine Erkenntnis: Daschners Folterdrohung war gar nicht „das letzte Mittel“, um herauszufinden, wo Gäfgen den entführten Jakob versteckt hielt. Zwar ist es legitim, dass sich Daschner als Mann präsentiert, der unbeirrt seinem Gewissen folgte. Doch Politik und Medien sollten sich hüten, diese idealisierte Sichtweise zu übernehmen. Der Polizeipsychologe und fast alle im Fall eingesetzten Ermittler sahen noch andere Mittel, den Entführer zum Reden zu bringen. Daschner verzichtete darauf und setzte sein Konzept gegen den Widerstand der zuständigen Sonderkommission durch. Er ist kein tragischer Held, sondern war in einer schwierigen Situation schlicht überfordert.

Nun hat das gestrige Urteil einen klaren Trennungsstrich gezogen: Folter ist und bleibt Unrecht, und darauf kommt es an. Polizisten sollen nicht wissen, wie man foltert. Sie sollen sich nicht daran gewöhnen, und es sollen keinerlei Ausflüchte gelten, falls es doch ans Licht kommt. CHRISTIAN RATH