Siedler-Aufruf zu Gaza

Dem Vorsitzenden des Siedlerrates im Westjordanland droht eine strafrechtliche Verfolgung in Israel

JERUSALEM taz ■ Die israelische Staatsanwaltschaft erwägt, den Vorsitzenden des jüdischen Siedlerrats im Westjordanland, Pinchas Wallerstein, wegen seines Appells zum Widerstand gegen den Rückzug aus dem Gaza-Streifen strafrechtlich zu verfolgen. Wallerstein hatte am Sonntag bei einer Versammlung des Siedlerrats dazu aufgerufen, sich dem „Transfer-Gesetz“ massiv zu widersetzen und bereit zu sein, dafür ins Gefängnis zu gehen. Sowohl Justizministerin Zipi Livneh als auch Abgeordnete des Likud, der Arbeitspartei und der linksgerichteten Jachad riefen Generalstaatsanwalt Meni Mazuz auf, eine Untersuchung gegen Wallerstein einzuleiten.

Die Möglichkeit zivilen Ungehorsams, der leicht zu gewaltsamem Widerstand gegen die geplanten Siedlungsräumungen führen kann, löste gestern Alarm in politischen und juristischen Kreisen Israels aus. Die Äußerungen Wallersteins seien schwerwiegend, reagierte Ministerpräsident Ariel Scharon besorgt, und man werde alle Maßnahmen ergreifen, um Gesetzesverstöße zu verhindern. Präsident Mosche Katsaw warnte, Hitzköpfe könnten von solchen Hetzreden zu Taten verführt werden, die auch Wallerstein bedauern müsste – zweifellos eine Erinnerung an die Ermordung von Ministerpräsident Jitzhak Rabin im November 1995.

In einem Interview betonte Wallerstein gestern, er fürchte keine Gefängnisstrafe und hoffe, auch die Bevölkerung verstünde Widerstand als demokratisches Mittel gegen die Vertreibung von Juden aus ihren Häusern. Er rufe weder zur Befehlsverweigerung durch Soldaten noch zur Gewaltanwendung auf, sondern wolle der Öffentlichkeit vor Augen führen, dass ein Teil der Bevölkerung durch eine „illegitime Regierung“ brutal vergewaltigt werde. ANNE PONGER