Anklage gegen den „Kalifen von Köln“

Zum Prozessauftakt in Istanbul wirft die Staatsanwaltschaft Metin Kaplan Hochverrat und Planung eines Terroranschlages vor. Kaplan weist die Anklage zurück. Er habe seine Vorstellungen vom Gottesstaat nie gewaltsam umsetzen wollen, sagt er

AUS ISTANBUL JÜRGEN GOTTSCHLICH

Nach zweimonatiger Untersuchungshaft hat gestern in Istanbul der Prozess gegen Metin Kaplan, den selbst ernannten Kalifen von Köln, begonnen.

Kaplan wird von der Anklage Hochverrat vorgeworfen, weil er einen Anschlag auf die versammelte Staatsspitze und einen anschließenden Umsturz zur Errichtung eines Gottesstaates in der Türkei geplant haben soll. Kaplan war nach jahrelangen juristischen Auseinandersetzungen von Deutschland an die Türkei ausgeliefert worden, nachdem diese in aller Form zugesichert hatte, dass Kaplan ein faires Verfahren bekommen wird und ihm weder Folter nach andere Formen von Misshandlungen drohen.

Bevor Kaplan gestern dem Gericht für Schwere Straftaten im Istanbuler Stadtteil Besiktas vorgeführt wurde, war er noch einmal ärztlich untersucht worden, um sicherzugehen, dass er körperlich in gutem Zustand ist. Kaplan hatte in Deutschland eine Abschiebung unter anderem mit Hinweis auf Herzprobleme zu verhindern versucht. Weder sein türkischer Anwalt Ismet Koc noch seine aus Deutschland angereiste Verteidigerin Ingeborg Neumann haben bislang Vorwürfe wegen der Behandlung ihres Mandanten erhoben. Allerdings betonte Frau Neumann am Rande des Prozesses, im Umgang mit Kaplan stünden die Menschenrechte in der Türkei insgesamt auf dem Prüfstand.

Die Staatsanwaltschaft wirft Kaplan vor, einen Terroranschlag im November 1998 geplant und von Deutschland aus vorbereitet zu haben. Dabei sollte mit einem Sportflugzeug der Staatsakt zum 75. Jahrestag der Türkischen Republik, der vor dem Mausoleum des Staatsgründers Atatürk stattfand, aus der Luft angegriffen werden. Es sei geplant gewesen, die Staatsspitze zu töten und anschließend putschartig die Macht zu übernehmen, um einen Gottesstaat zu errichten. Sollte das Gericht der Staatsanwaltschaft folgen, droht Kaplan lebenslange Haft.

Kaplan wies diese Vorwürfe insgesamt zurück. In seiner halbstündigen Stellungnahme räumte er zwar ein, er habe als strenggläubiger Muslim eine andere Vorstellung vom Staat als dem real existierenden in der Türkei. Trotzdem habe er aber nie daran gedacht, seine Vorstellungen gewaltsam durchzusetzen. Tatsächlich hat Kaplan in seinen Schriften und Predigten wiederholt zum Sturz der „gottlosen Ordnung“ in der Türkei aufgerufen. Im Vorfeld des Staatsaktes 1998 hatte die Polizei mehrere Leute verhaftet und nach eigenen Angaben den geplanten Terroranschlag dadurch vereitelt. Diese Gefolgsleute Kaplans sollen gestanden haben, auf Anweisung Kaplans gehandelt zu haben.

Nach Angaben der Verteidiger Kaplans sind diese Aussagen jedoch unter Folter erzwungen worden und dürften deshalb nicht verwendet werden. Die deutschen Auslieferungsinstanzen haben sich dieser Auffassung angeschlossen und zur Bedingung seiner Auslieferung gemacht. Die Fortsetzung des Prozesses wurde auf Januar 2005 vertagt.