„Korruption ist ein Krebsschaden“

Beim Ausbau des Flughafens Schönefeld versucht Transparency International (TI) mit einem Integritätsvertrag Korruption vorzubeugen. Bestechungsversuche sind auf keiner Großbaustelle fern, sagt TI-Vorstand Michael Wiehen

taz: Warum engagiert sich TI beim Flughafen Schönefeld?

Michael Wiehen: Die Flughafengesellschaft hat TI gebeten, die Korruptionsprävention bei diesem Projekt zu verstärken. Hauptinstrument dafür ist der von uns entwickelte Integritätsvertrag. Anbieter und Auftragnehmer verpflichten sich mit Unterschrift, jede Form der Bestechung und Gewährung von Geschenken an Mitarbeiter der Flughafengesellschaft zu unterlassen. Zudem dürfen Mitarbeiter des Flughafens Geschenke weder verlangen noch annehmen. Außerdem sind Preis- oder andere Absprachen unter den Bietern verboten. Verstöße auf der Mitarbeiterseite werden durch disziplinarische, zivilrechtliche oder strafrechtliche Maßnahmen, auf der Bieterseite durch Verlust des Auftrags, Schadensersatzverpflichtungen, Auftragssperre sanktioniert. Die Einhaltung kontrolliert ein externer unabhängiger „Beobachter“.

Warum haben Sie sich gerade bei Schönefeld engagiert?

TI hatte schon 1996 den Flughafenbetreibern den Integritätspakt angeboten, war aber damals abgewiesen worden – mit der Begründung, man könne doch in Berlin nicht davon ausgehen, dass Korruption stattfinde. In den Folgejahren hat es aber immer wieder Berichte von Unregelmäßigkeiten gegeben, die schließlich dazu geführt haben, dass die Eigentümer – Berlin und Brandenburg sowie der Bund – von vorn anfangen mussten. Um das und weitere Kostensteigerungen und Verzögerungen zu vermeiden, trat dann die Flughafengesellschaft an TI Deutschland heran.

Ist denn Schönefeld mit dem mutmaßlichen Baukartell ein typisches Beispiel für Wirtschaftskorruption?

Bei jeder großen Baustelle muss man mit Korruptionsversuchen rechnen und sollte sich dagegen wappnen. Mit „Wirtschaftskorruption“ kann sowohl die Bestechung durch Vertreter privater Unternehmen und die Bestechlichkeit von Entscheidungsträgern in öffentlicher Verwaltung oder in privaten Firmen gemeint sein. Das können aber auch wettbewerbsbeschränkende Absprachen unter privaten Anbietern für Bau- oder Lieferaufträge sein. Zu Unrecht bagatellisieren noch immer viele Menschen den „Krebsschaden Korruption“ als Kavaliersdelikt.

Welcher Schaden ist der Region durch Korruption entstanden?

Zumindest gibt es einen recht hohen Imageschaden. Der finanzielle Schaden ist quantitativ kaum messbar. Wir nehmen jährlich einen Schaden von vielen Milliarden Euro in Deutschland an.

Kann sich Transparency auch ein weiter gehendes Engagement in Berlin und Brandenburg vorstellen?

TI muss nach Einzelfallprüfung entscheiden, ob andere Fälle einen erfolgreichen Einsatz nahe legen und die notwendige Kapazität vorhanden ist. Eine Arbeitsgruppe für Berlin wurde jüngst gegründet.

Welche lokalen Präventionsmaßnahmen würden Sie vorschlagen?

Zum einen eine ausreichende personelle Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden zur Korruptionsbekämpfung und die Gründung von zentralen integrierten Ermittlungseinheiten aus Staatsanwaltschaften, Polizei und Fachleuten für Vergabe und Finanzprüfung, um die Aufklärungsrate zu erhöhen. Zum anderen muss dazu beigetragen werden, dass die Informationsfreiheitsgesetze in Berlin und Brandenburg von der Bevölkerung auch genutzt werden.

INTERVIEW: ULRIKE KOPETZKY