Südsehen

Zwischen Klischees und Kostengründen – eine Tagung zu den schwierigen Arbeitsbedingungen von Auslandskorrespondenten

VON THILO KUNZEMANN

Wenn der Journalist Foster Dongozi in den nächsten Tagen nach Harare, der Hauptstadt von Simbabwe, zurückkehrt, kann es sein, dass er sich mal wieder einen neuen Job suchen muss. Vor einigen Wochen erklärte Robert Mugabe, der autokratische Präsident seines Heimatlandes, er werde wohl auch The Standard schließen lassen, eine der letzten unabhängigen Zeitungen des Landes. Dongozis frühere Arbeitgeber, die Daily News und The Tribune, ereilte ein ähnliches Schicksal. Trotzdem, oder gerade deshalb, forderte Dongozi am vergangenen Wochenende auf einer Journalistentagung bei München eine ausgewogenere Berichterstattung über sein Land. Seine Kritik war drastisch. Die meisten Auslandskorrespondenten seien der Regierungselite um Mugabe hörig, hielten den Tod einiger weißer Siedler für wichtiger als den von hunderten schwarzen Oppositionellen und hätten generell wenig Ahnung von Simbabwe.

Nach Dongozis Rede herrschte Schweigen im Publikum. Die Veranstalter, ein Team von Kommunikationswissenschaftlern der Unis München und Leipzig, der „Deutschen Journalistenschule“ in München und der Nachwuchsjournalisten in Bayern, hatten rund 80 Journalisten, Wissenschaftler und Studenten eingeladen. So harsch wie Dongozi hätte wohl keiner von ihnen den Status quo kritisiert. Grundsätzlich stimmte man ihm zu. Gute Journalisten dürften nicht nur Negatives berichten, müssten auf Stereotype verzichten, sollten die Hintergründe erklären und ihre Arbeitsbedingungen aufdecken. Gerhard Dilger, Brasilienkorrespondent der taz, fasste das Dilemma zusammen. „Samba und Fußball sind für viele immer noch Brasilien. Ich kann das einfach nicht mehr lesen.“

Christiane Hoffmann, langjährige Iran-Korrespondentin der FAZ, versuchte das Bild des Iran zu korrigieren. Das Land sei selbst für Frauen relativ problemlos zu bereisen, Partys und Drogen gehörten zum Nachtleben der iranischen Großstädte, und Kopftücher würden von vielen Frauen als modisches Accessoire betrachtet. Über solche Themen habe sie auch berichtet. Problematisch sei nur gewesen, unter welchen Bedingungen sie das habe tun müssen. Kritische Journalisten hätten einfach nicht mehr einreisen dürfen. „Aber ich konnte nie über meine Arbeitsbedingungen schreiben. Es gibt da ein Tabu im deutschen Journalismus. Ich darf nicht ‚ich‘ schreiben.“

Zusammengetragen ergaben die Erfahrungsberichte ein düsteres Bild. Aus Geldmangel decken ein, zwei Korrespondenten ganze Kontinente ab. Aus Zeitmangel konzentrieren sich viele Journalisten auf einfach zu recherchierende Themen. Aus Platzmangel kommen meist nur die wichtigsten Nachrichten wie etwa Aufstände, Wahlprobleme oder Katastrophen ins Blatt. Doch diese strukturellen Probleme sind nicht neu. Also suchten die Teilnehmer nach konkreteren Richtlinien. Journalisten müssten, meinte Sonja Kretzschmar, eine ehemalige Mitarbeiterin der „Tagesthemen“ und Dozentin an der Universität Leipzig, „neugierig und kreativ, flexibel und mobil sein, dazu noch mutig und idealistisch, und sie dürfen nicht aufs Geld schauen“. Dass solche hohen Vorgaben aber ins Leere laufen, wenn der finanzielle Rückhalt für Auslandskorrespondenten fehlt, zeigt ein Beispiel aus der FAZ. Nach Jahren als einzige deutsche Iran-Korrespondentin arbeitet Christiane Hoffmann jetzt wieder in der Zentrale in Frankfurt. Aus Kostengründen wurde die Stelle in Teheran gestrichen. Berichtet wird über den Iran jetzt aus Istanbul. Kreativität und Idealismus können dem verantwortlichen Kollegen dort auch nicht mehr helfen.