Siedlerrat droht mit Protesten

Israelische Sicherheitskreise warnen vor einem gewalttätigen Widerstand gegen die Räumung des Gaza-Streifens. Die personell und finanziell schwache Polizei sieht sich völlig überfordert

AUS JERUSALEM ANNE PONGER

Der Rat jüdischer Siedlungen in Judäa, Samaria und dem Gaza-Streifen hat sich am Montag geschlossen hinter den prominenten Siedlerführer aus dem Westjordanland, Pinchas Wallerstein, gestellt. Damit schloss sich der Rat seinem Aufruf zu massivem zivilem Ungehorsam gegen den Gaza-Räumungsplan der Scharon-Regierung an.

Sicherheitskreise warnten vor den Folgen einer zivilen Rebellion, sollte der Widerstand gewalttätig werden, in einen Bürgerkrieg ausarten und den Rückzug verhindern. „Uns ist bewusst, dass die Evakuierung der ideologisch und religiös motivierten Siedler aus dem Gaza-Streifen schwieriger sein wird als die der Nordsinai-Siedlungen von 1982“, betonte der Generalinspektor der Polizei am Montag. „Eine Schlappe bei der Durchführung einer Regierungsentscheidung wäre jedoch eine Gefahr für die israelische Demokratie.“

5.000 unbewaffnete Polizisten sollen die Armee bei der Evakuierung der teils schwer bewaffneten Siedler im Gaza-Streifen unterstützen, die im Juli 2005 beginnen soll. Polizei und Armee werden gemeinsam trainieren. Nach einer psychologischen Vorbereitung besteht der physische Teil des Trainings vor allem darin, sich von protestierenden Siedlern besetzten Häusern zu nähern, Kinder und religiöse Frauen notfalls gegen ihren Willen zu evakuieren und möglichen bewaffneten Widerstand ohne unnötige Opfer zu beantworten.

Der angekündigte zivile Ungehorsam stellt die finanziell und personell schwache Polizeitruppe schon vor ihrem Evakuierungstraining vor fast unlösbare Aufgaben. Da die Siedler ausdrücklich auch Gefängnisstrafen riskieren wollen, muss mit gewalttätiger Eskalation gerechnet werden. Denn ein ein neues Gesetz droht drei Jahre Gefängnis für aktive Auflehnung, jedoch nicht passiven Widerstand, gegen den Rückzug an. Neben verstärktem Personenschutz für Politiker und schärferer Bewachung der Moscheen auf dem Jerusalemer Tempelberg werden nun Kräfte zur Kontrolle von Demonstrationen in allen Teilen Israels und der Siedlungsblocks erforderlich. Das geht auf Kosten von Antiterrorschutz, Verbrechensbekämpfung und Ordnung im Straßenverkehr.

Die Entscheidung des Siedlerrates zugunsten eines Frontalangriffs gegen den Rückzugsplan ist eine direkte Folge des Scheiterns seiner früheren Strategie, der Bevölkerung insgesamt die Notwendigkeit von Neuwahlen oder einer Volksabstimmung nahe zu bringen. Von der jetzigen Kampagne angesprochen werden nur die bereits Überzeugten, die rund 250.000 Siedler sowie die religiös-nationalistischen Kreise in Israel, die die Regierung für ebenso „illegitim“ halten, wie sie der Siedlerrat neuerdings bezeichnet.

Ein Ziel haben die Siedler erreicht: Die Rückzugsdebatte ist wieder in die Schlagzeilen geraten. Während rund die Hälfte der 8.000 Gaza-Siedler das Entschädigungsangebot für freiwillige Räumung bereits angenommen haben, kündigen zahlreiche Siedler im Westjordanland an, ihren Wohnsitz in den Gaza-Streifen zu verlegen, um den Rückzug aktiv zu verhindern.