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Flächenfresser kaufen sich frei

Seit fünf Jahren müssen sich Investoren und Bergbaubetriebe für ihre Naturzerstörungen im Ruhrgebiet freikaufen. Für Naturschutzverbände sind die Regelungen zu lasch

In NRW werden jedes Jahr 3.000 Hektar Grünflächen zubetoniert

aus ESSENANNIKA JOERES

Seit fünf Jahren ist Naturzerstörung im Ruhrgebiet teuer: Das Projekt „Ökologische Bodenfonds“ verpflichtet Firmen, die Freiflächen, die sie versiegeln, an anderer Stelle neu zu schaffen. Durch 35 Verträge mit Unternehmen wurden so 75 Hektar neue Wald- und Grünflächen geschaffen oder erhalten – das entspricht etwa 75 Fußballfelder. „In unserem Ballungsgebiet ist der Ausgleich besonders wichtig“, sagte Christa Thoben, Regionaldirektorin des Regionalverbandes Ruhr (RVR), gestern bei der 5-Jahres-Bilanz in Essen.

Von 1998 an schreibt das Baugesetzbuch vor, jeden Flächenfraß ökologisch zu ersetzen. Das System der Ökofonds ist einfach: Baut ein Wohnungsunternehmen 2.000 Quadratmeter Grünfläche zu, müssen an anderer Stelle 2.000 Quadratmeter Grünfläche neu geschaffen werden. Das muss nicht in der Nähe der Baustelle passieren, noch nicht einmal in derselben Stadt. Wer in Kamen die Bagger rollen lässt, kann auch in Dortmund Pflanzen setzen. Wurde ein alter Wald zerstört, muss der neue größer sein, weil alte Bäume mehr wert sind als junge Triebe.

Der RVR managt den Flächenhandel: Er besitzt die meisten Freiflächen im Revier und vermittelt dann geeignetes Brachland. Nach einer einmaligen Zahlung bleibt er auch Eigentümer der Flächen. „Das ist ein wichtiges Instrument zum Strukturwandel“, sagt Dieter Wewer vom RVR. Das Ruhrgebiet habe bundesweit als erste Region die Ökofonds durchgesetzt. „Wir kriegen laufend Anfragen zu unserem System“, so Wewer. Als andere noch nachdachten, habe der damalige Kommunalverband schon die Freiflächen bestimmt.

In jeder Stadt im Ruhrgebiet hat schon ein Flächenhandel zwischen Firmen und RVR stattgefunden. Der Gelsenkirchener Ruhr-Zoo zum Beispiel will sich vergrößern und baut seine Parkplätze massiv aus. Dafür pflanzt er am Emscherbruch Kopfweiden, Heckenpflanzen, Obstbäume und Sträucher. Zwischen Dorsten und Marl entsteht gerade der „Interkommunale Industriepark“ von Steag. Der Energiekonzern forstet dafür im Dorstener Norden einen Wald auf. In Hünxe bei Wesel muss der Bergbau für seine Bodensenkungen zahlen: Die RAG reißt dafür ein ehemaliges Munitionsdepot und dazugehörende Straßen im Wald ab, die Bunker werden für Fledermäuse hergerichtet.

„Bergbau- und Wohnungsfirmen sind die Hauptzahler“, sagt Wewer. Zu den Kunden gehören aber auch die Deutsche Bahn und RWE. Für sie hat sein Verband noch 15.000 Hektar Freiflächen in petto. Einige davon wurden allerdings schon vorsorglich vom RVR aufgeforstet oder begrünt – so sorgen die Firmen nicht für neue Flächen, sondern kaufen lediglich die bestehenden auf. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) in NRW befürchtet ein Nullsummenspiel. „Firmen können sich zu leicht freikaufen“, sagt BUND-Sprecher Dirk Jansen. In NRW würden jedes Jahr mehr als 7.000 Hektar Äcker, Wiesen und Weiden versiegelt. Damit verlieren die Menschen erholsame, grüne Oasen und Tiere und seltene Pflanzenarten ihre Lebensräume. „Der beste Flächenverbrauch ist derjenige, der erst gar nicht stattfindet,“ sagt Jansen.

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