Die fetten Jahre sind vorbei. Schön!

Die taz sagt Danke für die Unterstützung durch ihre Leser und Genossen – ein Weihnachtsbrief

Liebe Leserinnen und Leser,finanzielle Unabhängigkeit ist wichtig für den Geist. Der Satz ist keine Binsenweisheit. Dieser Satz beschreibt vielmehr das Selbstverständnis der taz-Genossenschaft. Wir Genossinnen und Genossen wollen dafür sorgen, dass die taz finanziell unabhängig ist und täglich fröhlich, aber auch mal gallig aufklären kann.

Die praktische Bedeutung solcher Unabhängigkeit können Sie dieser Tage in Nordrhein-Westfalen beobachten. In diesem größten Bundesland gibt es seit Jahrzehnten eine enge Verbindung zwischen der Energiewirtschaft und der politischen Macht. Die Energiewirtschaft profitiert, weil Entscheidungen normalerweise in ihrem Sinne getroffen werden. Und die Politik profitiert auch. Zahlreiche Mandatsträger erhalten von Konzernen oder Tochterfirmen ein nettes Sümmchen nebenher, weil sie dieser Energiewirtschaft eng verbunden sind. Andere proben die amerikanische Variante: Aus der Industrie in die Politik und wieder zurück. Meyer, Müller, Schmitz und wie sie alle heißen mögen, ein Vor-Namensvetter von mir ist auch dabei, Hermann-Josef Arentz.

Wenn man also eine Begründung für die Notwendigkeit einer unabhängigen Zeitung gerade in Nordrhein-Westfalen sucht, bekommt man sie im Augenblick auf dem Silbertablett präsentiert. Schön, dass die taz hier bereits am Start ist. Schön, dass wir im kommenden Jahr noch häufiger als sonst nach Nordrhein-Westfalen blicken werden, weil dort ein neuer Landtag gewählt wird.

Die taz hat in den vergangenen 15 Monaten Startgeld für die taz in Nordrhein-Westfalen gesammelt. Das sollte noch mehr werden. Gleichzeitig hat die taz 2004 bundesweit den Widrigkeiten des Zeitungsmarktes ordentlich getrotzt. Sie, liebe Leserinnen und Leser, haben die Zeitung häufig als Abonnentinnen und Abonnenten unterstützt und als Genossinnen und Genossen die finanzielle Basis verbreitert. Unsere taz muss sich nicht in einen Zeitungsverbund einreihen und auch nicht von der Sozialdemokratie über Wasser halten lassen.

25 Jahre taz haben 2004 für eine Menge Aufmerksamkeit im ganzen Land gesorgt. Mehr Anzeigenkunden als in den vergangenen Jahren haben erkannt, dass man mit Inseraten in einer glaubwürdigen Zeitung mehr wirtschaftlichen Erfolg erntet. Dennoch haben die Anstrengungen noch nicht ausgereicht, um der Bundes-taz übers Jahr zu einer schwarzen Null zu verhelfen. Das muss unser Ziel für 2005 sein. Dafür bleibt noch einiges zu tun.

Die Chancen dafür sind vielfältig. Die taz-Themen Globalisierung, Gerechtigkeit und Gesundheit werden im kommenden Jahr das Land bewegen. Über die Frage, in welchem Europa wir zukünftig leben wollen, wird heftig gestritten werden. Streiten wir voran! Und ein Blick durch die taz-Ausgaben des vergangenen Jahres, für den zwischen den Feiertagen ein wenig Zeit bleibt, wird auch Ihnen zeigen, wie viel unsere Zeitung zu den Debatten über die Zukunft unseres Landes beitragen kann. Versprochen.

Im Kino läuft gerade der schöne Film „Die fetten Jahre sind vorbei“. Für mich ist er ein Film über den Wert der Verunsicherung. Verunsicherung, die die jungen Wilden schaffen, aber auch selber spüren. Verunsicherung, wo die Alten, Saturierten eigentlich wirklich stehen. Zeiten der Verunsicherung sind gute Zeiten für die Zeitung, für die taz 2005.

Bis dahin wünsche ich Ihnen noch ein paar ruhige Tage, ein frohes und wenn Sie wollen gesegnetes Weihnachtsfest. HERMANN-JOSEF TENHAGEN