Das Babuschka-Kirchen-Prinzip

Man muss nur ein wenig graben, und dann wird sich schon unter einer Kirche ein noch älteres Gotteshaus finden lassen. In Hanerau-Hademarschen haben Archäologen in einer Brandruine eine steinalte Holzkirche entdeckt. Damit konnte erstmals nachgewiesen werden, dass in Schleswig-Holstein eine Kirche seit mehr als tausend Jahren existiert

Auch das ist eine Weihnachtsgeschichte. Hier aber erst eine Geschichte der Zerstörung, in deren Asche sich dann wunderbare Erkenntnis fand. Alles fest vertäut am Datum des Fests.

Es war am 27. Dezember 2003, als die spätromanische Feldsteinkirche im schleswig-holsteinischen Hanerau-Hademarschen (Kreis Rendsburg-Eckernförde) niederbrannte. Vollständig. Jetzt aber – ein knappes Jahr danach und wenige Tage vor dem Fest – haben Mitarbeiter des Archäologischen Landesamtes in der Ruine eine tausend Jahre alte Holzkirche entdeckt.

Eine wissenschaftliche Sensation, wie Projektleiter Willi Kramer den Fund bezeichnete. „Zum ersten Mal sind bei uns Reste einer Holzkirche unter einer steinernen Dorfkirche entdeckt worden.“ Und damit könne eben auch erstmals nachgewiesen werden, dass in Schleswig-Holstein eine Kirche seit mehr als tausend Jahren existiert.

Dabei muss man sich den einstigen Kirchenbau ein wenig wie russische Babuschka-Puppen vorstellen: in der großen Puppe steckt die kleine Puppe, und so weiter. Unter dem 800 Jahre alten Fußboden der Ruine fanden die Archäologen so neben den Resten einer weiteren Steinkirche auch Spuren der noch älteren Holzkirche. Vor tausend Jahren hatten dort acht Pfosten ein sieben Meter langes und viereinhalb Meter breites Kirchenschiff mit Platz für 30 Gläubige getragen. Kirchengestühl gab es damals nicht, denn bis zum späten 15. Jahrhundert durfte niemand im Angesicht Gottes sitzen.

Neben dem hölzernen Gotteshaus entdeckten die Archäologen auch Spuren eines mächtigen Rundturms an der Westseite. Eine weitere Entdeckung machten die Forscher im Gips-Fundament des spätromanischen Altars: Ein Kind lief vor 800 Jahren während des Aushärtungsprozesses barfuß darüber und hinterließ dabei seine Fußspuren.

Die Ausgrabungsarbeiten sollen Weihnachten beendet sein. Ab Januar werden dann die Befunde ausgewertet. dpa