Gespräche, am Rande steiniger Wege geführt

Spiegelt der Buchmarkt das Leben wider, dann ist etwas dran an der Rückkehr des Religiösen. Mehrere Bände widmeten sich jüngst der Sinnsuche von Prominenten – manches Bekenntnis indes wäre auch weiterhin gut im Privaten aufgehoben gewesen

Von Alexander Diehl

Dieser Text erscheint – streng genommen – eine Woche zu spät. Denn diese Zeitung befasste sich bereits zum 4. Advent ungewohnt umfangreich mit Fragen des Glaubens, der Religion und überhaupt der Sinnsuche. Dass solches in diesem Umfeld geschieht, mag manchem als Indiz für eine Entspannung zwischen Kontrahenten gelten, vielleicht gar für eine „Rückkehr der Religion“, wie sie mancherorts erkannt wurde.

Wie es die Verlagspolitik so will, erschienen in diesem Herbst diverse Buchtitel, die sich im weitesten Sinne dem Religiösen widmen, nicht immer ging es dabei um ihre institutionalisierten Formen und Praktiken. So sprachen Susanne Raubold und Gaby von Thun mit Prominenten aus verschiedenen Bereichen (und, so möchte man hinzufügen, verschiedenen Güteklassen): Mit TV-Größen und Angehörigen des europäischen Hochadels, Politikern, Musikern, Theaterleuten und dem einen oder anderen beruflich mit Glaubensdingen betrauten Menschen unterhielten sie sich über Elternhaus und Lebensweg und das aktuelle Verhältnis zu Kirche, Gott oder Glauben überhaupt. Dabei stießen sie immer wieder auf höchst eigene Ideen, Praktiken oder Gottesbilder.

So zeigt sich etwa Bürgermeister Ole von Beust im Gespräch mit der ehemaligen taz-Redakteurin Raubold als geradezu pantheistisch geprägt. Eher unregelmäßigen Besuchen ordentlicher Gottesdienste steht bei von Beust das Erleben der Schöpfung gegenüber: „Es sind Momente der Intensität, der Einzigartigkeit, in denen ich das Göttliche erlebe und spüre: Das ist es jetzt. Oft wird dieses Gefühl ausgelöst durch eine Wahrnehmung in der Natur. Dafür bin ich sehr empfänglich. Da ist ein lauer Sommerwind, ein Rapsfeld, das in intensivem Gelb strahlt, oder auch die Sterne in einer klaren Winternacht. Eine Zehntelsekunde, in der es einen durchzuckt wie eine Erleuchtung.“

Susanne Raubold, die heute als Referentin für einen Hamburger Kirchenkreis tätig ist, beleuchtet in den Gesprächen in der Hauptsache das Verhältnis ihrer Gegenüber zu Christentum und seinen Organisationen. Dagegen spürt die langjährige Modedesignerin Gaby von Thun erklärtermaßen einer „subjektiven Gläubigkeit“ nach, gerichtet an einen Gott „jenseits der Religion“– der Dalai-Lama-Vertraute Robert Thurman spricht gar von „einer riesigen Anzahl anderer Götter“, unter denen jener „Gott von Sinai“ eben nur einer sei.

„Vielleicht“, so hofft von Thun im Vorwort, „kann dieses Buch auch einen kleinen Beitrag dazu leisten, die Frage aller Fragen zu beantworten: ‚Wozu sind wir hier, und welche Aufgabe haben wir zu erfüllen?‘“ Von ihren, wie es weiter heißt, „oft steinigen Wegen zum Glauben“ haben ihr Wolfgang Joop, Reinhold Messner und Franz Beckenbauer erzählt, aber auch die Ninas Hagen und Ruge, Senta Berger oder der ehemalige Klosterschüler und spätere Bestsellerautor Paulo Coelho. Und so, wie von Thun das jeweilige Kapitel kurz einleitet, scheint auch ihr eigener Weg zu den Gesprächspartnern zuweilen ein steiniger gewesen zu sein – trotz allerbester Kontakte in Münchens Promi- wie auch die weltweite Modeszene sei sie um die eine oder andere vorläufige Zurückweisung nicht herumgekommen. Am Ende hat sich nicht jeder Weg gelohnt: Wie auch bei Raubold finden sich interessante Positionen (oder auch nur Anekdötchen) neben solchen, die gerne hätten im Privaten bleiben dürfen. Und, mal ehrlich: Hat ein Vorzeige-Spiritualist wie der Mannheimer Soul-Crooner Xavier Naidoo seine krude Religiosität nicht oft genug ausbreiten dürfen?

Susanne Raubold: Wir glauben. Gespräche mit Prominenten über Gott im Alltag. EB-Verlag, Schenefeld, 144 S., 19,80 Euro; Gaby von Thun: Auf der Suche nach Gott. Gespräche. Mit Fotos von Volker Hinz. Wunderlich, Reinbek, 190 S., 19,90 Euro