„Das Mortalitätsrisiko steigt“

Eine von der Heidelberger Psychologin Petra Hasselbach durchgeführte Langzeitstudie hat ein überraschendesErgebnis gebracht: Wer länger als acht Stunden im Durchschnitt schläft, dessen Sterblichkeitsrisiko erhöht sich enorm

INTERVIEW EVA OPITZ

taz: Sie haben von 1992 bis 1995 mehr als 5.000 Menschen im Durchschnittsalter von 53 Jahren befragt und von 2001 bis 2004 noch mal nachgefragt. Was war der Anlass für eine Langzeitstudie in diesem Umfang?

Petra Hasselbach: Wir wollten wissen, ob es neben medizinischen und genetischen auch psychologische Faktoren gibt, die die Gesundheit im höheren Lebensalter beeinflussen. Wir haben dazu einen großen Ausschnitt aus der für diese Altersgruppe repräsentativen Bevölkerungsgruppe genommen.

Warum haben Sie zehn Jahre mit dem erneuten Fragebogen gewartet?

Wir brauchten die Zeit, damit sich genug Krankheitsfälle ansammeln konnten und eine statistische Auswertung möglich war. Neben den medizinischen und genetischen Faktoren, die bekannt sind als Auslöser für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, haben wir gesehen, dass darüber hinaus emotionale Labilität ein großer Risikofaktor ist.

Wie kamen Sie in dieser Studie über Ursachen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen darauf, dass Schlaf für die Gesundheit eine wichtige Rolle spielt?

Für mich war es eine spannende Kombination, die Schlafgewohnheiten mit einzubeziehen. Studien zum Schlaf sind selten, und wir haben auch selten so viele Studienteilnehmer, die wir zum Thema Schlaf über so viele Jahre befragen können. Deshalb stehen in der Auswertung neben Nikotinkonsum oder Sport auch Schlafgewohnheiten im Fragebogen.

Ist für Sie Schlaflosigkeit ein entscheidendes Kriterium?

Da muss man ganz klar differenzieren zwischen der Schlaflosigkeit, die sich am subjektiven Empfinden der Menschen festmacht und das allgemeine Gesundheitsniveau negativ beeinflusst, und der Schlafdauer. Es gibt Leute, die sich mit vier Stunden Schlaf ausgeruht und fit fühlen und solche, die auch nach acht Stunden ihren Schlaf als zu kurz und nicht erholsamem bezeichnen. Was wir in der Studie anführen, bezieht sich nur auf die angegebene Schlafdauer.

Was passiert mit denen, die im Durchschnitt länger als acht Stunden schlafen?

Wir haben ein spektakuläres Ergebnis gefunden. Bei einer mehr als achtstündigen Schlafdauer steigt das Mortalitätsrisiko des Schläfers um das Doppelte.

Statistik ist geduldig. Woher wissen Sie, dass in dieser Gruppe der länger Schlafenden nicht die Betagten und Kranken das Ergebnis verursacht haben?

Neben der unter- und überdurchschnittlichen Schlafdauer haben wir in unserem statistischen Modell bekannte relevante Faktoren wie Alter, Geschlecht, Nikotin- und Alkoholkonsum sowie Sport berücksichtigt. Trotzdem bleibt dieser Effekt, dass die, die lang schlafen, deutlich eher sterben. Aufgrund der statistischen Analyse können wir das mit Sicherheit sagen.

Welche Erklärung gibt es für das gesteigerte Sterblichkeitsrisiko durch zu viel Schlaf?

Nach einer solchen Erklärung suchen alle. Es gibt große Studien in den USA und in Japan mit den gleichen Ergebnissen, aber ebenfalls ohne einen Hinweis auf den Hintergrund dieses Befundes. Keiner hat eine richtige Erklärung.

In welche Richtung könnte so eine Suche gehen?

Ich habe untersucht, ob sich durch weitere Verhaltensvariablen etwas klären lässt. Das hat nicht funktioniert. Ich habe darauf hin die Todesursachen angeschaut. Häufig geht dem Tod eine Erkrankung voraus, die vielleicht mit der verlängerten Schlafdauer zusammen hängt. Die Todesursachen verteilen sich jedoch gleich über alle Kategorien von Schlafdauer. Ein Zusammenhang hat sich nicht gezeigt.

Wonach würden Sie noch suchen?

Es hat sich eine Hypothese herausgebildet, dass Menschen mit Apnoe, einem nächtlichen Atemstillstand, betroffen sind. Es sind Leute, die lange schlafen und sich trotzdem nicht erholt fühlen. Andererseits ist es unwahrscheinlich, dass alle gestorbenen Langschläfer Apnoe-Patienten waren. Es würde nur einen Teil erklären können.

Was halten Sie von dem Rat, aufgrund der Studienergebnisse auf keinen Fall mehr länger zu schlafen?

Nicht viel. Die Befundlage ist zwar klar, aber wir suchen noch nach den Hintergründen. Keiner glaubt, dass der lange Schlaf die eigentliche Ursache der erhöhten Mortalität ist. Jeder vermutet, dass der lange Schlaf Ausdruck von etwas anderem ist, und danach suchen wir. Solange sind wir mit Empfehlungen sehr vorsichtig. Der Hausarzt sollte sich Langschläfer auf jeden Fall genauer anschauen. So viel kann man sagen. Vielleicht können sich dann durch die Kommunikation zwischen Praxis und Forschung neue Ansätze entwickeln.