Müller-Plantenberg: „Kein Nationalist“

URS MÜLLER-PLANTENBERG, 67, Gründer der Chile-, später Latinamerika-Nachrichten. Plante mit Rudi Dutschke 1967 die Machtübernahme in Berlin.„Rudi Dutschke hat wahrscheinlich nie die deutsche Nationalhymne gesungen, und wenn, dann jedenfalls nicht mit Inbrunst. Die Berliner Kleinbürger hätten ihn dafür auch wegen Unverschämtheit verprügelt, und seine eigenen Genossen hätten ihn als Rechtsabweichler gescholten. Und doch: Kaum jemand trat zu seiner Zeit so selbstverständlich dafür ein, dass es völlig normal sei, sich für Einigkeit und für Recht und für Freiheit für das deutsche Vaterland einzusetzen. Aber war Rudi deswegen ein Nationalist, wie das heute manche glauben machen wollen? Hätte ein Nationalist mit dem chilenischen Freund Gastón Salvatore zusammen Schriften von Che Guevara herausgegeben? Oder den Vietnam-Kongress organisiert? Als ich ihn kurz vor seinem Tode bat, für die Lateinamerika-Nachrichten einen Nachruf für Elisabeth Käsemann zu schreiben, die von den argentinischen Militärs ermordet worden war, lieferte er einen Text, in dem er sie in eine Reihe mit Rosa Luxemburg und anderen stellte, die wegen ihres Internationalismus zu Mordopfern der Reaktion geworden waren. Sieht so ein Nationalist aus? Übrigens: Ganz sicher hat Rudi dem Deutschlandlied Bertolt Brechts Kinderhymne vorgezogen.“