: Schweiz will dichtmachen
DEBATTE Zwar wurde die Entscheidung der Schweiz über einen Einwanderungsstopp für Deutsche vertagt, aber die Deutschen werden immer unbeliebter bei den Eidgenossen
VON FRAUKE SCHMICKL
„Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen“, stellte der Schweizer Schriftsteller Max Frisch einst über die Gastarbeiter fest. „Wir brauchten Arbeiter, und es kamen Deutsche“, kann man in Anlehnung an Frischs Zitat heute bei den Eidgenossen sagen. Wegen der Wirtschaftskrise diskutiert die Schweizer Regierung seit langem darüber, die Einwanderung aus Deutschland und anderen EU-Ländern deutlich einzuschränken – zwar wurde die endgültige Entscheidung darüber in der gestrigen Bundestagssitzung vertagt, aber das Thema ist damit noch lange nicht beendet.
Dabei schien noch vor drei Jahren die Alpendestination eines der Traumziele für die Bundesbürger schlechthin zu sein: 2006 bildeten sie dort mit einem Plus von 15.000 den größten Zuwachs an der ausländischen Wohnbevölkerung aus den EU-Staaten, mittlerweile leben rund 250.000 Deutsche dort. Im vergangenen Frühling spielten 43 Prozent der Deutschen mit dem Gedanken der Auswanderung in die Schweiz.
Problematisch dabei: Die Zahl der Beschäftigungslosen der Deutschen in der Schweiz hat sich 2007 auf 5.337 verdoppelt und damit bilden sie neben den anderen aus dem Ausland Zugezogenen insgesamt knapp die Hälfte der Schweizer Arbeitslosenstatistik füllen, die argumentative Triebfeder der aktuellen Debatte.
Dominiert wird diese durch die als konservativ geltende Schweizerische Volkspartei SVP, die energisch dazu aufgefordert hatte, die Schutzklausel zum Einsatz zu bringen.
Die Schutzklausel ist eine in den Verträgen über die Personenfreizügigkeit mit der EU eingebaute Möglichkeit für die Schweiz, die seit Anfang Juni 2007 mögliche freie Zuwanderung von Staatsangehörigen der 15 alten EU-Mitgliedstaaten sowie von Zypern und Malta für eine befristete Zeit und ohne die Gefahr von Gegenmaßnahmen der EU wieder zu beschränken.
Aber mit der Schutzklausel und wegen der aktuellen Krise könne die Zuwanderung nur um 5 Prozent unter diesen Wert sinken, betonte Daniel Lampert, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes. Er bezeichnete die anhaltende Diskussion daher als reines „Ablenkungsmanöver“.
Auch der Verbandsdirektor der Arbeitgeber, Thomas Daum, erklärte, es gebe keine Verwerfungen am Arbeitsmarkt, die auf die Zuwanderung zurückzuführen seien. Womit auch auf dieser Ebene die geführte Argumentationsschiene gebrochen scheint.
Verhalten kritische Stimmen zum Thema ertönen auch aus Brüssel. Sollte sich der Bundesrat der Schweiz zu diesem Schritt entschließen, so müsste er diesen im gemischten Ausschuss zwischen der Schweiz und der EU begründen.
Wenn die EU-Kommission das Recht der Schweiz auf Anwendung der Schutzklausel auch nicht anzweifelt, so würde sie dessen faktische Durchsetzung doch als ein durchaus negatives Signal werten. Nicht nur die EU-Kommission, sondern auch Deutschland und weitere Mitgliedstaaten könnten diese Schritte nämlich als eine Reaktion auf die jüngst heftig geführten Diskussionen um das Schweizer Bankgeheimnis und der Steuerdebatte interpretieren. Zudem, und das klingt nun beinahe zynisch, hat die tschechische EU-Präsidentschaft ihre Amtszeit unter das Motto „Europa ohne Grenzen“ gestellt.
Welche Argumente bleiben also noch für den Beschluss des Einwanderungsstopps? Offenbar nicht allzu viele. Der Schweizer Arbeitsmarkt scheint damit nicht regulierbar, das soziale Netz nicht entlastbar, der Akt als eine scheinbar beleidigte Retourkutsche auf die Diskussion um Bankgeheimnis und Steueroase.
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