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Lateinamerikanische Früchte am Ohr

Heute beginnt im Düsseldorfer tanzhaus nrw die AfroLatin-Woche, ein Festival der lateinamerikanischen Klänge und Regungen. Höhepunkt: Die deutsche Erstaufführung von „Hydu-Bié“, einer Tanzperformance aus Burkina Faso

Vielleicht weiß sie selbst nicht so genau, warum sie einen Obstkorb auf dem Kopf trägt und kleine Plastikfrüchte am Ohr. Auf jeden Fall lacht sie breit. Sie strahlt buchstäblich. Und symbolisiert damit eine Zufriedenheit, eine Wärme und Lebensfreude, die man hierzulande zwischen Hartz IV und allgemeinen Konjunkturklagen zuweilen vermissen muss.

Sie, das ist die namenlose Latina, die das Plakat zur Düsseldorfer „AfroLatin-Woche“ schmückt. Heute Abend, während uns der Winter die übrigen Reserven raubt, beginnt das traditionelle Festival im tanzhaus nrw mit einer Brasilianischen Nacht. Das Sextett Banda Aba Brasil stellt sozusagen den obligatorischen Einzug in den Kosmos lateinamerikanischer Klänge dar, bevor das Festival bereits am zweiten Tag seinen eigentlichen Höhepunkt erklimmt: die deutsche Erstaufführung der Tanzperformance „Hydu-Bié (un deux)“, ein Gastspiel der Kompanie Kongo Ba Téria aus Burkina Faso.

In „Hydu-Bié“ findet sich das Verhängnis von der stetig fortschreitenden Individualisierung auf Kosten eines abnehmenden Gruppengefühls wieder, mit dem man sich nicht nur in Mitteleuropa pausenlos konfrontiert sieht. Der renommierte Choreograph Souleymane Badolo appelliert mit seinem Stück an das, was sich auch die CDU in letzter Zeit öfter in das Parteibuch schreibt: für Zusammenhalt und die alte, aber lange nicht antiquierte Devise: „Gemeinsam sind wir stark!“ Mit dem Unterschied, dass Badolo das Motto tänzerisch umzusetzen weiß, die Christdemokraten aber sitzend und stehend scheitern.

Vermutlich fehlt ihnen die Leichtigkeit des Seins, wie man sie in Lateinamerika findet. Angela Merkel beispielsweise würde ein Obstkorb auf dem Schopf sehr gut stehen. Doch wer so etwas tragen will, muss sich auch passend bewegen können. Das Festival ist da behilflich: Denn neben dem reichhaltigen Programm bietet es auch Workshops an, in denen die Kunst der ästhetischen Regung selbst steifen Mitmenschen eingehaucht wird. Bei Sergio Saira zum Beispiel, der Tänze wie Samba, Capoeira und Candomblé zu einer postmodernen Tanzkunst verbindet. Auf Fotos strahlt Saira übrigens so breit wie die unbekannte Schöne. Nur auf Früchte verzichtet er.

BORIS R. ROSENKRANZ

AfroLatin-Woche, 27. bis 30.12.tanzhaus nrw, DüsseldorfKarten: 0211-172700

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