Keine Kinderarbeit für Herne

Herne will keine Kinder mehr ausbeuten: Ein Bürgerantrag forderte die Revier-Kommune jetzt dazu auf, nur noch Produkte mit Gütesiegel zu kaufen. Bisher kaufen in NRW nur Bonn und Bielefeld fair

VON KARSTEN SCHUELE

Herner wollen keine kleinen Hände mehr für sich arbeiten lassen: Ein Bürgerantrag fordert die Kommune dazu auf, auf Produkte aus Kinderarbeit zu verzichten. Nach Bonn und Bielefeld wäre die Revierstadt damit die dritte NRW-Kommune, die einen entsprechenden Beschluss fasst. Bundesweiter Vorreiter gegen die Ausbeutung war München.

Jede Kommune profitiert indirekt von Kinderarbeit. So kommt fast die Hälfte der in Deutschland verwendeten Grabsteine aus Indien. Hergestellt von Kindern in Sklavenarbeit, die meisten kaum älter als 13 Jahre. „Häufig stehen die Eltern bei den Steinbruchbesitzern in Schuldknechtschaft – aus dieser Abhängigkeit kommen sie nie wieder raus“, sagt Eine-Welt-Promotor Markus Heißler, der den Bürgerantrag in Herne stellt. Bei anderen Produkten wie Straßenbau-Material oder Kantinen-Essen sehe es genauso aus.

Die Herner Stadtverwaltung ist grundsätzlich bereit, dem Antrag zu folgen, „jedoch ist das Vergaberecht für öffentliche Vergaben sehr komplex“, heißt es in einer offiziellen Stellungnahme. Es müsse geprüft werden, wie die rechtliche Umsetzung einer solchen Regelung aussehen könne. Bis zum Sommer will die Herner Stadtverwaltung sich Zeit lassen, erst dann soll die Entscheidung gefallen sein.

Bis dahin kann die Stadt einen Blick nach München und Bonn werfen. Bereits im April 2003 hatte die süddeutsche Metropole einen Beschluss gefasst, nachdem bei Anschaffungen auf Produkte aus fairem Handel zurückzugreifen ist. Gleichzeitig erging an den Deutschen Städtetag die Aufforderung, bundesweit anwendbare Richtlinien zu erarbeiten. Bis heute fühlt sich die Organisation dazu außerstande. „Wir halten uns ohnehin mit Handlungsempfehlungen zurück“, sagt Barbara Meißner vom Städtetag. Gerade die großen Kommunen seien sehr empfindlich, was die Beschneidung ihrer Integrität angehe. „Die bisher geltenden Vorschriften zum Vergaberecht definieren soziale Kriterien als vergabefremd“, sagt Meißner. Eine Änderung sei erst ab 2006 zu erwarten. Solange habe die Bundesregierung Zeit, ein Gesetzes-Paket der EU umzusetzen, welches eine Aufnahme sozialer Belange zu den Vergabevorschriften vorsehe. Bis dahin agierten Städte, die Produkte aus fairem Handel bevorzugen, in einer „rechtlichen Grauzone“, sagt Meißner.

Bonn befindet sich seit diesem Jahr bereits in dieser Grauzone. Die rheinische Stadt hat alle Vertragspartner dazu aufgefordert, den Nachweis der sozialen Verträglichkeit zu erbringen – bestenfalls durch offizielle Siegel, wie TransFair oder RUGMARK. „Im Ausnahmefall geben wir uns auch mit einer schriftlichen Erklärung zufrieden“, sagt Heinz Josef Houf, Leiter des Vergabewesens. Derzeit würde er aber auch unabhängige Kontrollinstanzen suchen.

Das oftmals verwendete Argument, Produkte aus fairem Handel seien eine zu hohe Belastung für die ohnehin schon stark strapazierten Stadtsäckel, lässt Heißler nicht gelten lassen: „Illegale Preisvorteile dürfen kein Argument gegen fair trade darstellen“.