Der Scheibe-Wischer (2)
: Von Marken und Preisen

Zwischen den Jahren gewährt der Rechtsberater der taz, Peter Scheibe, einen Einblick in die Abgründe des deutschen Presserechts.Woher der Name Oscar für den bekanntesten Filmpreis stammt, vermag auch die „Academy of Motion Picture Arts and Sciences“ als Verleiherin der Filmtrophäe nicht mit Sicherheit zu sagen. War es in den goldenen Zwanzigern eine Sekretärin oder Archivarin, die sich an ihren Onkel Oscar erinnert fühlte, oder erkannte eine Schauspielerin ihren Exmann wieder? Egal.

Was die Academy in Hollywood aber ganz sicher weiß, ist, dass sie die Rechte der Goldfigur verteidigen muss. Unter anderem mit dem deutschen Markenrecht. Die taz hatte es nämlich – wie unzählige andere Medien auch – gewagt, die Bezeichnung „Fernseh-Oscar“ als griffiges Synonym für diverse Fernsehpreise wie den „Grimme-Preis“ oder den „Emmy“ zu übernehmen. Deshalb meldeten sich Anwälte einer deutschen Großkanzlei bei der taz. (Freilich ohne eine Vollmacht der Academy zu versichern, geschweige denn im Original vorzulegen.)

Doch wer freut sich nicht über Post aus Hollywood, auch wenn sie in Berlin aufgegeben wurde? Statt sich aber zu bedanken, dass man die Einzigartigkeit des Oscar durch derartige Vergleiche noch hervorhebt, beklagten sie eine drohende Verwässerung der Marke „Oscar“ durch diesen „gattungsmäßigen Gebrauch“. Die dahintersteckende Logik liefe letztlich auf eine Monopolisierung von Sprache hinaus. Genau deshalb hat der deutsche Gesetzgeber im Markenrecht die Einschränkung vorgenommen, dass eine Markenverletzung nur vorliegt, wenn dies „im geschäftlichen Verkehr“, also nicht bei bloßer Berichterstattung geschieht.

Da die taz keine Umbenennung in „Oscar“ anstrebt, geht dieser Vorwurf also ins Leere. Die taz gibt der Academy aber gern Hinweise für eine erfolgreiche Spendensammlung. Denn diese werden die Filmvertreter allein für die Portokosten benötigen, angesichts der allerorten produzierten Synonymfülle vom Auto-Oscar über Radio-, Theater-, Musik-, Mode- und Literatur- bis hin zum Architektur-Oscar. Unweit der taz steht in einem Restaurant ein (dem Oscar nachempfundener) „Gastro Award“ auf dem Tresen, der in der Branche natürlich „Gastro-Oscar“ heißt.

Mit dem Markenrecht hat die taz ohnehin ihre Erfahrungen. So darf ihre Seite-1-Glosse „verboten“ ja bis heute nicht „tagesschau“ heißen, weil sich das der NDR als Inhaber der Marke „tagesschau“ gerichtlich verbat. Und auch beim taz-Shop ist in Zukunft mit weiteren kreativen Einfällen zu rechnen. Mitte der Achtzigerjahre ließ der Outdoor-Ausrüster „Jack Wolfskin“ die taz-Tatze als Marke registrieren, so dass sie die taz für bestimmte Produkte nicht mehr ohne den zusätzlichen Schriftzug „tageszeitung“ verwenden darf. Da man eine Marke aber nur für bestimmte Warenklassen anmeldet und sie dann auch verwenden muss, hat die taz bei insgesamt 45 Warenklassen eine reiche und z. T. obskure Auswahl. Zum Jahreswechsel bieten sich „Christbaumschmuck“ und „Feuerwerkskörper“ an. Heißt die Kochstraße erst Rudi-Dutschke-Straße, lässt sich auch „Asphalt“ mit „Tazzen“ markieren. Apropos Dutschke: „Denkmäler (nicht aus Metall)“ finden sich in Warenklasse 19.PETER SCHEIBE