Tumult bei Phoenix-Beerdigung

Aktionärsversammlung stimmt über Fabrikverkauf ab: Anteilseigner schäumen über Verschmelzung mit Hannoveraner Konkurrenten ContiTech. Kleinaktionäre wittern Übernahme mit „gezinkten Karten“ und halten die Abfindungen für zu niedrig

von KAI VON APPEN

„Wie der Phoenix-Vorstand mit Mitarbeitern umgeht, wissen wir ja jetzt, aber offenbar sollen wir Aktionäre noch schäbiger behandelt werden.“ Wilhelm Nachtigal aus Frankfurt, der 30.000 Anteile an der Phoenix hält, bringt seinen Unmut zum Ausdruck, als ihm Aufsichtsratschef Claas Daum nach dreieinhalb Stunden Hauptversammlung (HV) endlich das Wort erteilt. Seinen Geschäftsordnungsantrag hatte Nachtigal bereits zu Beginn der HV gestellt: Wegen „formeller Fehler“ verlangt er die Sitzung abzubrechen, welche die Verschmelzung mit der ContiTech und damit die Zerschlagung der Phoenix AG besiegeln sollte.

Sicherheitsdienste sollen die HV schützen. Am Eingang gibt es Kontrollen wie auf dem Flughafen, Polizei patroulliert. Die Versammlung hat noch nicht begonnen, da gibt es erste Tumulte im Saal des Veranstaltungszentrums „Burg Seevetal“ in Hittfeld, südlich von Hamburg. Aktionär Martin Helrich moniert die Bedingungen: „Warum hat die Presse Tische und die Aktionäre keine, so können wir nicht arbeiten.“ Doch Daum wiegelt ab und quittiert Pfiffe und Buhrufe. „Sind die Tische schon in Hannover?“, ruft jemand dem Aufsichtsratschef zu, während Helrich dem einen 5-Euro-Schein hinhält. „Ich zahle auch zehn Euro für einen Tisch, damit ich der Versammlung mit dem Berg von Unterlagen folgen kann.“

Aktionär Nachtigal unterstützt ihn: „Ich beantrage, die HV abzubrechen, dann brauchen wir auch keine Tische.“ Er habe festgestellt, dass Phoenix im Vorwege gegen das Aktionärsrecht verstoßen habe, da wichtige Unterlagen den Aktionären nicht zur Einsicht vorgelegen hätten.

In seinem Referat versucht dann doch Phoenix-Vorstand Meinhard Liebing, den Deal zu verkaufen. Der Vorstand vertrete immer noch grundsätzlich die Auffassung, dass das Harburger Gummi-Unternehmen allein überlebensfähig sei. Dennoch entspreche die Verschmelzung einer „gewissen industriellen Logik“. Da beide Unternehmen direkte Konkurrenten seien, könne durch die „Integration“ in den Conti-Konzern „Know-how und Innovationskraft“ gebündelt werden. Den Kleinaktionären – ContiTech besitzt bereits 75,6 Prozent der 3,78 Millionen Aktien – versucht Liebing die Zustimmung zur Unterwerfung damit schmackhaft zu machen, dass sie mit 18,89 Euro pro Aktie gut abgefunden würden, sofern sie nicht ihre Anteile gegen ein ContiTech-Wertpapier tauschten.

Für viele Aktionäre riecht der Deal aber nach einem abgekarteten Spiel zwischen Conti, Phoenix-Vorstand und den Banken. So sind laut Joachim Siemers von der „Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger“ in den Verträgen Phoenix-Sparten unterbewertet. Das Angebot von 18,89 Euro pro Aktie sei „skandalös“.

In der bewegten Aussprache zeigt sich der Vorstand von den Vorwürfen jedoch wenig beeindruckt. „Sie begreifen doch gar nicht, was Sie da eben vorgelesen haben“, attackiert Aktionär Helrich den Vorstand. In Anspielung auf die „Backoffice-Managerin“ mit Laptop und Funkanschluss, die in der Männerriege die Regie führt, spottet er: „Stellen Sie mir doch mal die Dame im Hintergrund vor.“

Dann wirft Helrich Spitzenmanager Liebing, der in den Conti-Vorstand wechselt, indirekt Korruption vor. „Sie müssen künftig nur mit 1,3 Millionen Euro mehr zurechtkommen.“ Viele Aktionäre seien indes auf Empfehlung des Vorstandes und der Banken „reingefallen“, als ihnen im Sommer der Verkauf von Phoenix-Aktien für 15 Euro empfohlen wurde. Heute habe die Aktie indes einen Börsenwert von mehr als 20 Euro. Helrich: „Glauben Sie nie den Analysisten der Banken – die Haspa hat versagt.“