american pie
: Scharf auf den Hauptgewinn

Peyton Manning, Quarterback der Indianapolis Colts, hat den Touchdown-Rekord, doch das große Ziel bleibt die Super Bowl am 6. Februar in Jacksonville

Ein Werbespot im US-Fernsehen zeigt Peyton Manning mit einem Fan beim gemeinsamen Fernsehen und Spaziergang. Würde man nicht extra darauf hingewiesen, wer von beiden der berühmte Quarterback der Indianapolis Colts ist, könnte man als unbefangener Beobachter glatt Manning für den Fan halten, so unscheinbar, harmlos und allerweltsmäßig, wie er in dem Filmchen daherkommt. Ein Irrtum, der natürlich keinem TV-Zuschauer in den USA unterlaufen würde, jeder weiß, wer Peyton Manning ist und wie er aussieht. Am Wochenende hat er den 49. Touchdown in dieser NFL-Saison geworfen und damit den 20 Jahre alten Rekord von Dan Marino überboten, kaum ein Zweifel besteht daran, dass Manning wie im letzten Jahr zum besten Spieler der National Football League (NFL) gewählt wird. „Er überblickt das Feld so gut und er macht keine Fehler“, preist ihn die Receiver-Legende Jerry Rice.

Mannings Spielweise entspricht der äußeren Erscheinung. Inmitten der massigen, großmäuligen Kolosse des Sports, der expressiven Triumphgesten und testosterongeprägten Temperamentsausbrüche wirkt der 28-Jährige noch immer wie ein schüchternes College-Kid, das sich in der Sportart geirrt hat und viel besser beim Bowling oder Softball aufgehoben wäre. Wenn er die Spielzüge seines Teams dirigiert und den Ball zielsicher an den Mann bringt, dann sieht das seltsam leicht aus, so als stecke weder Anstrengung noch Arbeit hinter all den Aktionen. Ein Eindruck, der täuscht, denn Manning ist dafür bekannt, dass er permanent Videostudien betreibt, an seinen Schwächen arbeitet, Spiele analysiert, Taktikbücher verschlingt und deshalb in der Lage ist, auf dem Feld oft seine eigenen Spielzüge auszurufen.

So auch beim rekordbringenden Touchdown Nummer 49, ein Musterexemplar aus Mannings Repertoire. Er hatte nicht gut gespielt gegen die San Diego Chargers, war viermal von den Gegnern niedergerissen worden – was ihm in 14 Spielen zuvor insgesamt nur neunmal passiert war – und lag mit seinem Team eine Minute vor Schluss acht Punkte zurück. Mutig ignorierte Manning die Einflüsterungen der Trainer im Ohrhörer, gab einen Spielzug aus, den die Colts noch nie gespielt hatten, und führte San Diego damit komplett hinters Licht. Der Ball landete zum Touchdown in Brandon Stokleys Händen, danach bewerkstelligte der Quarterback die nötige Two-Point-Conversion zum Ausgleich, der Drive, der in der Verlängerung das Field Goal zum 34:31 vorbereitete, war fast nur noch Formsache. Ein grandioser Comeback-Sieg, der Indianapolis den dritten Platz in der American Football Conference (AFC) hinter Pittsburgh und New England sicherte, damit Heimrecht im ersten Playoff-Match. Seinen Rekord-Touchdown hatte Manning wegen der angespannten Spielsituation kaum zelebrieren können, erst nach dem Match ließ er sich telefonisch von Marino gratulieren und feierte dann mit seinen Eltern und einer Masse Fans ganz bodenständig in der Bar des St. Elmo im Zentrum von Indianapolis.

Die Anhänger der Colts sind natürlich stolz auf ihren Quarterback, andererseits können sie die sich alljährlich überschlagenden Lobeshymnen auf ihn kaum noch hören. Im siebten Jahr spielt Peyton Manning in Indianapolis, dreimal erreichte das Team zuletzt die Playoffs, doch mit dem ersehnten Einzug in die Super Bowl wurde es bisher nichts. Im letzten Jahr setzten die New England Patriots dem Gipfelsturm der Colts und ihres „Mr. Übermenschlich“, wie die Spieler aus Boston Manning spöttisch nannten, ein brüskes Ende. Im Schneesturm im Fenway Park der Patriots spielte der mit Vorschusslorbeeren überhäufte Quarterback aus Indianapolis katastrophal und wurde von den späteren Super-Bowl-Siegern aus New England regelrecht vermöbelt. Diese gingen so brutal zu Werke, dass die Liga einige Regeländerungen vornahm, die nicht zuletzt Mannings Spiel zugute kamen. Die Patriots könnten in der zweiten Playoff-Runde erneut der Gegner sein, dass es diesmal anders endet, hofft nicht nur Tony Dungy. „Unsere Jungs freuen sich über den Rekord, aber sie sind scharf auf den Hauptgewinn“, sagt der Colts-Chefcoach. „Wir hoffen“, ergänzt Manning.

Neben seinem Vater Archie, der Quarterback in Minnesota und New Orleans war, ist das große Idol von Peyton Manning kein anderer als Dan Marino, der entthronte Rekordhalter. In einer Sache möchte er dem langjährigen Spielmacher der Miami Dolphins jedoch keinesfalls nacheifern: Marino, einer der besten Quarterbacks der NFL-Geschichte, gewann niemals die Super Bowl. MATTI LIESKE