Halbmast im Paradies

In der Hitze der Insel Phuket steigt stündlich die Seuchengefahr. Helfer aus Deutschland beginnen mit der Identifizierung der Toten. Die Spendenbereitschaft in Thailand ist groß

BANGKOK taz ■ In der Hauptstadt Bangkok wehen die Flaggen auf halbmast: Trauer um die vielen Toten, die bei den verheerenden Flutwellen am Sonntag auf Thailands südlichen Ferieninseln ums Leben kamen. Neben den Urlauberinseln Phuket und Phi Phi ist vor allem Khao Lak in der Provinz Phang Nga betroffen. Vom einstigen Paradies nördlich von Phuket ist nichts mehr übrig: Der Strand ist ein Bild der Verwüstung, Häuser und Feriendomizile sind dem Erdboden gleichgemacht.

Das Schlimmste: Die unzähligen Leichen, die in sengender Hitze auf dem Boden liegen oder gerade an Land geschwemmt werden. Die Rettungskräfte, überwiegend einheimische, sind unermüdlich dabei, die Toten zu bergen. Dabei kämpfen sie gegen die Zeit: In der heißen Luft verwesen die Körper so schnell, dass sie irgendwann nicht mehr identifiziert werden können. Es fehlt an vielem, um den erschöpften Helfern die Arbeiten zu erleichtern: Ständig müssen sie neuen Mundschutz und Handschuhe anfordern; ebenso rar sind Kühlbehälter. Bangkok hatte versprochen, insgesamt 20 Container nach Phuket und Phang Nga zu schicken, mittlerweile sind die ersten davon im Krisengebiet eingetroffen.

„Alles ist platt, es ist wie nach einem Atombombenangriff“, sagt ein Deutscher, der in Khao Lak ein Reiseunternehmen betreibt. Schwer getroffen hat es unter anderem das dortige Sofitel-Hotel, das von einer gewaltigen Flutwelle erfasst worden war. Die französische Hotelgruppe Accor teilte mit, dass etwa die Hälfte der mehr als 415 Gäste vermisst werde.

Hoffnung hat man wohl nur noch für wenige, es sei denn, es geschehen Wunder. Die passieren immer wieder inmitten von Trauer, Entsetzen und Verzweiflung. Eine Deutsche hat gerade erfahren, dass ihr als vermisst geltender Mann noch lebt. Sie weint vor Freude und Erschöpfung, und eine junge Thailänderin, die sich freiwillig als Dolmetscherin zur Verfügung stellte, wischt ihr mit einem Tuch übers Gesicht.

Ein paar – die wenigsten – sind mit ein blauen Flecken und Schnittwunden davon gekommen. Sein Kopf sei an die Zimmerdecke gestoßen, das Wasser stieg ihm bis zum Hals, erzählt ein Hamburger. Nach einem Zwischenstopp in Bangkok will er jetzt nur noch in die Heimat. Die Französin Christiane Laurent befand sich auf einer Bustour in die Stadt, als sich die Katastrophe ereignete: „Auf einmal schrien die Leute im Bus und wir sahen eine gigantische Welle, mit einem Auto auf dem Wellenkamm“, schilderte Laurent ihre Ängste. „Der Busfahrer ist blitzschnell umgedreht und einen Hügel hinaufgefahren. Er hat uns alle gerettet.“

Ohnehin loben viele die Unterstützung und Freundlichkeit der thailändischen Bevölkerung: „Die haben sich sehr schnell und professionell bemüht, uns zu helfen,“ sagt der Grazer Helmut Herrmann. Mittlerweile gibt es eine Unmenge an Spenden: Gestern Abend rief ein thailändischer Fernsehkanal dazu auf, die Opfer zu unterstützen und per E-Mail, SMS oder Mobiltelefon zu spenden. Freiwillige, einheimische wie ausländische Gäste, arbeiten rund um die Uhr: als Ärzte, Übersetzer oder einfach nur, um Trost zuzusprechen. Viele Überlebende sind nach wie vor verzweifelt auf der Suche nach Angehörigen und Freunden. Wo es nur geht, haben sie auf Phuket Stellwände errichtet, mit Bildern ihrer vermissten Lieben.

Inzwischen sind mehr als 80 deutsche Helfer auf Phuket angekommen, darunter 20 Mitarbeiter des Technischen Hilfswerkes, Ärzte, Psychologen sowie Beamte des Bundeskriminalamtes, die beim Identifizieren der Toten helfen sollen. Mit elf Maschinen sollten bis heute aus Phuket, aber auch aus Sri Lanka und von den Malediven deutsche Touristen heimgeflogen worden sein.

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