Teuer, verdreckt, rar

Öffentliche Toilettenanlagen werden immer häufiger zu einem öffentlichen Ärgernis. Dafür konnte die Stadt kräftig Geld sparen

von Claudius Schulze

Ätzend riecht der Urin, der Boden klebt, in der Pissrinne stapeln sich die Kippen. Erbärmlich ist der Zustand der Pissoirs am Hauptbahnhof. Dafür darf mann hier kostenlos sein Wasser lassen. Frauen und Männer mit niedriger Ekelschwelle müssen auf die – kostenpflichtigen – Bahnhofstoiletten ausweichen.

„Hamburg hat viel zu wenige Klos. Und die sind häufig verdreckt“, schimpft Achim Schülke. Der Schauspieler kennt sich aus. Eine Prostatavergrößerung, das Leiden vieler älterer Männer, zwingt ihn zu häufigem und plötzlichen Toilettenbesuch – und den entsprechenden Erfahrungen. „In Stellingen sind die Klos nur auf, wenn Fußball ist“, bemängelt er. „Und immer, wenn es richtig nötig ist, sind die Münzautomaten defekt.“ Die allerdings sind ihm auch im funktionierenden Zustand ein Dorn im Auge. Unverschämt hoch findet Schülke die Benutzungsgebühren. „Welches Bild bekommen Touristen von Hamburg? Oder finden Japaner 50 Cent für einmal stilles Örtchen in Ordnung?“ Unverschämt auch die Bahnhofsgastronomie: „Da esse ich ein Schollenfilet für 15 Euro bei der ‚Nordsee‘ am Dammtor und muss dann noch mal 50 Cent fürs Klo zahlen.“

Es stinkt zum Himmel

Gestattet ist das nicht. Restauranttoiletten dürfen „nicht ausnahmslos durch Münzautomaten versperrt sein“, sagt Klaus-Günter Scholz vom Verbraucherschutzamt Eimsbüttel. So sei etwa in den Konzessionsbedingungen der Betriebe am Dammtor festgehalten, dass diese ihren Gästen Coupons für die Benutzung der Bahnhofstoiletten aushändigen müssen. Die Probe aufs Exempel: In der Praxis hält sich niemand an die Vorschrift. Bei „Brüggmann“ wird die Nachfrage von einer Angestellten barsch abgeschmettert, bei „Nordsee“ will man von einer solchen Regelung nichts gehört haben. Immerhin – ein pfiffiger Imbissbetreiber empfiehlt den Gang zu „McDonalds“, da sei die Klobenutzung gratis.

Nicht nur in Gaststätten stinkt die Situation zum Himmel. Öffentliche Toiletten sind häufig in einem marodem Zustand, sind verdreckt, defekt, oder es fehlt an Klopapier. „Wenn ich 50 Cent für einmal Austreten bezahle, muss ich saubere Toiletten erwarten können“, erbost sich Schülke. Wenn er denn mal eins findet. „Ich kenne fast keine Klos in der U-Bahn.“ In der Tat: Nach Unterlagen der zuständigen Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt besitzt nur jede dritte Hamburger U-Bahnstation eine Toilettenanlage.

„Modernisierungsprojekt“

Verantwortlich für die Misere sind groß angelegte Umstrukturierungen von Klos, die vor rund sechs Jahren begonnen wurden. „Es geht nicht darum, dass der Senat nur die urinalen Besitzstände veräußern möchte. Wichtig ist vielmehr die bedarfsgerechte Modernisierung“, versuchte die Umweltbehörde 1998 noch zu besänftigen. Heute, nach Abschluss der „Modernisierung“, betreibt die Stadt von ehemals 150 Latrinenanlagen nur noch 25. Die übrigen wurden geschlossen, verkauft, verpachtet oder Hochbahn, Deutscher Bahn und Bezirksämtern übertragen.

„Ein positiver Effekt der Modernisierungsmaßnahmen sowie der Privatisierung ist eine Entlastung des Hamburger Haushalts“, vermeldete der Abschlussbericht der Umweltbehörde. Wurden 1994 noch rund 5,6 Millionen Mark für Klos ausgegeben, seien es 2000 nur noch 1,7 Millionen gewesen. Die Leidtragenden der Sparmaßnahmen sind die Bürger. Um die Toiletten rentabel betreiben zu können ist allerorts der Preis gestiegen – auf bis zu 1,10 Euro. „Dennoch ist der Service häufig schlecht“, ärgert sich Schülke und fordert: „Öffentliche Klos sind Allgemeingut, für das die Stadt aufzukommen hat.“ Die zuständige Behörde allerdings war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Am Bahnhof Dammtor immerhin will das Verbraucherschutzamt eingreifen. „Wir werden umgehend Außendienstmitarbeiter vorbeischicken – denn so etwas darf natürlich nicht sein“, bekräftigt der Mitarbeiter Scholz. Es sei jedoch einfach zu wenig Personal vorhanden, um Missstände sofort bemerken zu können, sagt Scholz – und spielt den Ball zurück zum Pinkler: Das Amt sei eben auf „Verbraucherbeschwerden“ beim jeweiligen Bezirksamt angewiesen.