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: Im höheren dreistelligen Bereich

Weil das Beben im Indischen Ozean unsere Nachbarn oder Verwandten getötet haben könnte, greifen die Regeln des Boulevards – und versagen die Gebote der Menschlichkeit

Bisweilen schien es, als habe sich ein heimtückisches Attentat auf deutsche Touristen ereignet, drüben in Thailand – und nicht eine Naturkatastrophe ohne Beispiel, die an den Küsten des Indischen Ozeans bis dato 80.000 Todesopfer geopfert hat. Nein, Nachrichtenmagazine von ARD bis RTL überboten sich gegenseitig mit den Tränen besorgter Angehöriger. Das ZDF-Magazin „Brisant“ gab den „teilweise nur mit Handtüchern bekleideten“ Heimkehrern Gelegenheit, den Stolz der Betroffenen zur Schau zu stellen, die nun ihren Urlaub erstmal im sauerländischen Winterberg ausklingen lassen.

Die alte Regel des Lokaljournalismus, Nachrichten aus der „weiten Welt“ auf lokale Ebene „runterzubrechen“, wurde von der Wucht der Ereignisse nicht nur dementiert, sondern förmlich diskreditiert. Die mediale Hilflosigkeit zeigt, dass globalen Katastrophen lokal nicht beizukommen ist. Das ZDF nutzte sogar die Gelegenheit, auf die Segnungen der Globalisierung hinzuweisen. Besonders schlimm sei’s dort, wo die Bevölkerung (schön blöd!) noch immer von der Landwirtschaft lebt – und nicht von Siemens oder deutschen Touristen. Am Mittwochabend berichtete auch das „heute-journal“ zunächst nur über deutsche Schicksale in Thailand – aber immerhin hatte ein sichtlich zerknirschter Klaus Cleber das Rückgrat, die Zuschauer dafür um Verständnis zu bitten. Wir gewährten gerne. FRA