DEUTSCHER FUSSBALL
: Absolute Weltspitze

„Das ist ein großer Tag für den deutschen Fußball“, jubilierte Karl-Heinz Rummenigge kürzlich. „Endlich ist der deutsche Fußball wieder auf dem richtigen Weg“, freute sich Ottmar Hitzfeld. „Der deutsche Fußball ist in der Spitze stärker geworden“, lobte Uli Hoeneß, und natürlich ließ sich auch Jürgen Klinsmann, der neue Oberguru des fußballerischen Patriotismus, nicht lumpen: „Ich habe immer gesagt, dass der deutsche Fußball besser ist, als er oftmals dargestellt wird.“

Welch eine Renaissance! Bei der Europameisterschaft in Portugal noch von Tschechiens Reservisten böse düpiert, von Rehhagels Griechen bis auf die müden Knochen blamiert und von den Trainerfindungskaspern des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) anschließend komplett der Lächerlichkeit preisgegeben, ist der deutsche Fußball auf einmal wieder Weltspitze. Zumindest verbal.

Selten zuvor hat der Einzug von Bundesliga-Klubs in ein Achtelfinale, auch wenn es, wie in diesem Fall, jenes der Champions League war, derartige Euphorie ausgelöst. Früher pflegte man diesen Wettbewerb immerhin gelegentlich mal zu gewinnen. Doch warum sich mit lästigen Realitäten aufhalten, wenn man doch in so wunderbare Traumwelten flüchten kann. Gleich drei Mannschaften im Uefa-Cup-Sechzehntelfinale, darunter sogar ein veritabler Zweitligist, ist das etwa nichts? Dazu der zweifellos gestiegene Unterhaltungswert der Bundesliga, nachdem sich die meisten Klubs endlich zu einem taktisch reformierten Fußball bequemt haben, den modern zu nennen sich allerdings verbietet, da er überall sonst schon seit mehr als zehn Jahren gespielt wird. Mainzer Karnevalisten, Bielefelder Almstürmer, Wolfsburger Tabellenverwirrer, Leverkusener Janusköpfe, Bremer Schaafsinn, dazu Stuttgart, Schalke, Bayern, und sogar Hertha reckt wieder frech das Näschen in den Wind. Keine Frage, wir sind wieder wer! Nicht mehr lange, dann wird erneut das große Wort von der besten Liga der Welt die Runde machen, in Mailand und Madrid werden den Nestas und Zidanes die morschen Knie zittern, und bald heißt es: Her mit dem vierten Champions-League-Platz, ihr schnöden Briten und Franzmänner, sonst könnt ihr euer schwarz-rot-goldenes Wunder erleben!

Der spirituelle Schirmherr dieses Trends zur deutschen Herrlichkeit ist natürlich der neue Bundestrainer, der nach seinem Amtsantritt zügig daran gegangen ist zu beweisen, dass man Fußball nicht nur spielen, sondern auch reden kann. Seit Klinsmann den Prediger gibt, wird die WM 2006 nicht einfach ausgerichtet, sondern gewonnen, und die Fußballspiele der deutschen Nationalmannschaft machen wieder Spaß – basta, keine Widerrede, sonst gibt’s was mit dem Verhaltenskodex.

Konterte Rudi Völler Kritik an schwächeren Darbietungen des deutschen Nationalteams noch mit dem Verweis auf unrealistische Maßstäbe und die neuen Kräfteverhältnisse im Weltfußball, gibt es bei Klinsmann schwächere Darbietungen qua bundespäpstlichem Edikt schlicht nicht mehr. Und nach Niederlagen, wie in Südkorea, wird kein Schuldiger gesucht, sondern bloß noch gefragt: Welche Niederlage?

Der deutsche Fußball ist gut, besser, am besten; im DFB-Team zu spielen ist eine Ehre; eine noch größere Ehre ist es, ihm zuschauen zu dürfen. Patriotismus, daran gibt es längst keinen Zweifel mehr, schießt Tore. 2005 wird das Jahr des deutschen Fußballs, 2006 sowieso, und Mayer-Vorfelder wird Bundeskanzler. Als Doppelspitze, versteht sich, mit Jürgen Klinsmann. MATTI LIESKE