Im Zeichen des Drachens

Mit einer sagenumwobenen Vermarktung erregen die Basketballer der Artland Dragons Aufmerksamkeit. Dabei wäre schon die KölnArena für sämtliche Bewohner Quakenbrücks zu groß

aus Quakenbrück Holger Schleper

Die Musik dröhnt, 6.000 stampfende Füße lärmen, der Boden in der verdunkelten Halle zittert. Ein großer Lichtkegel schneidet die Arena, bis er endlich findet, was er sucht: den Drachen. Er kommt aus seiner Höhle, rast über das ganze Feld und setzt zu einem Salto an. Dabei passiert das Unerwartete: Die Landung glückt, allein der Kopf des grünen Plüschungeheuers fliegt weiter durch die Luft.

Nun steht er etwas verlegen da, Tobias Dörfler. Er ist das Maskottchen der Basketballer der Artland Dragons. Vor jedem Spiel betritt er umjubelt die Halle und animiert die Fans des Erstligisten zur Unterstützung des Teams. In diesem kopflosen Augenblick ist der 1,60 Meter große Student aber auch anschauliches Beispiel dafür, dass hinter der vom Verein so mächtig beschworenen Drachenmythologie eine kleine, aber feine Vermarktungsstrategie steckt. „Er war immer da. Seit Anbeginn aller Zeiten. Tief im Artland. Der Drache. Die Urangst des Menschen. Mit edlem Herzen. Mit unbezwingbarer Macht. Wir haben ihn gerufen. Mit feurigem Atem treiben wir die Gegner vor uns her.“ Im clubeigenen Magazin klingt es ungemütlicher, als Tobias Dörfler ist. Sein Leibgericht ist Muttis Sauerbraten mit Knödeln und am liebsten hört er die Musik der Seichtsongcombo Pur.

Was nur allzu wenig zur artländischen Drachensage passt, derzufolge vor ewigen Zeiten ein mutiger Bauernsohn einen gefräßigen Lindwurm tötete, der die Region nördlich von Osnabrück bedrohte. An den Drachentöter erinnern noch immer zahlreiche Schnitzereien in der kleinen, ehemaligen Hansestadt, verewigt im Renaissance-Gestühl der Sylvester-Kirche und an einigen der vielen Fachwerkhäuser im Stadtkern. Angesagter als die Sagenstars der Vergangenheit sind gerade die Basketballer der Artland Dragons. Sie kommen aus Kroatien, Nigeria oder den USA, heißen Marko Bulic, Ben Ebong und Michael H. Jordan. Der Namensvetter des berühmtesten Basketballers aller Zeiten hat es den Fans durch seine guten Leistungen angetan. „Für diese Stadt ist er ein Held“, sagt Club-Manager Marco Beens.

Der 34-jährige Beens arbeitet seit zwei Jahren in Quakenbrück. Vorher war er im Management von BS Energy Braunschweig tätig, ebenfalls ein Verein der Basketballbundesliga (BBL). Der Manager sitzt im adretten, dunklen Anzug auf seinem Sessel. Ans linke Revers seines Jacketts hat er einen Anstecker geheftet, der einen angriffslustig schnaubenden Drachen zeigt. Es gibt ausreichend Gründe für den Verein, selbstbewusst aufzutreten.

In der Zweitliga-Saison 2002/2003 stieg das Team mit 30 Siegen in 30 Spielen in die erste Liga auf. Dort belegte es in der vergangenen Spielzeit überraschend den neunten Rang. Spitzenteams der Liga wie RheinEnergie Köln oder die Opel Skyliners aus Frankfurt hatten dabei das Nachsehen in der Artland-Arena. Blütenträume reifen deshalb in der kleinsten Stadt der BBL nicht. „Man muss sich natürlich vor Augen halten, dass alle Quakenbrücker zusammen nicht die KölnArena füllen könnten“, sagt Beens. 13.000 Menschen leben in der Stadt, „und das ist aufgerundet“, lächelt er.

Tatsächlich wirkt der Ort etwas verschlafen. Die liebevoll sanierte Innenstadt sieht schmuck aus, doch das blühende Handelszentrum von einst wirkt genauso fern wie der gefürchtete Drache. Ein Spitzenteam ist in dieser Region kaum zu etablieren. Für die Einheimischen aber sind die Dragons der Stolz ihrer Stadt.

In den Stunden vor den Heimspielen kann man beobachten, wie immer mehr Leute über den großen Marktplatz Richtung „Drachenhöhle“ pilgern. Von allen Seiten kommen sie, um einen der begehrten 3.000 Plätze in der Halle zu ergattern. Ein schwieriges Unterfangen bei 2.000 Dauerkartenbesitzern. In einer Informationsbroschüre für Sponsoren wirbt der Verein damit, dass manche Partie der Vorsaison innerhalb von 28 Minuten ausverkauft war. „Da zeigt sich, dass die Halle eigentlich zu klein ist“, sagt Beens dazu. Das Interesse in der Region sei so groß, weil Basketball hier Tradition hat. Die BG Bramsche Osnabrück spielte lange in der Bundesliga, bis sie Mitte der Neunziger in der Versenkung verschwand.

Aufgetaucht sind dafür die Artland Dragons. Wer zu den Glücklichen gehört, die in der Arena Platz nehmen dürfen, erlebt dann eine Atmosphäre mit einer eigenartigen Werbung: „Es ist eng. Es ist laut. Es ist stickig. Sie werden es lieben.“

Das Nordderby Artland gegen Oldenburg findet am Freitag um 20 Uhr in Quakenbrück statt