Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Wenn die CDU die Wahlen in Nordrhein-Westfalen vergeigt, kommt die Zeit des kleinen Integrators Christian Wulff. Ihm trauen manche Christunionisten schon Kohl’sches Charisma zu. Egal, das wird Borussia Dortmund auch nicht retten

taz: Was war schlecht im letzten Jahr?

Friedrich Küppersbusch: Völlige Verwirtschaftlichung des politischen Diskurses.

Was wird besser in diesem?

Quersumme 7, meine Glückszahl. Mehr weiß ich auch noch nicht.

2005, sechzig Jahre danach, wird es Geschichtsinszenierungen hageln. Bekommen wir zum 8. Mai noch mal die Debatte „Niederlage oder Befreiung“?

Die Union wäre gut beraten, ein paar schmerzliche Prozente bei der nächsten Wahl für die Nazi-Erben hinzunehmen. Versucht sie stattdessen, deren Themen zu besetzen, werden es ein paar Prozente mehr.

Schon am 13. Februar wird der Bombardierung von Dresden gedacht. Droht da ein erinnerungspolitischer Rückschlag – oder ist es einfach nötig, sich deutscher Opfer zu erinnern?

Solange deutsche Opfer des Zweiten Weltkrieges verdrängt werden, wühlt und wurmt es im Unterbewussten. Und es wird abgelehnt, dass wir vor allem Täter sind: „Es muss auch mal gut sein mit den ganzen alten Sachen.“ Also der Eiter muss raus, wenn’s auch weh tut; zeitlich und ursächlich folgt auf die Frage, ob wir auch Opfer waren, die notwendige Frage: Warum?

Das Fernsehen wird alle Zeitzeugen, die noch reden können, präsentieren. Sollte man diese Erinnerungsfestspiele besser boykottieren?

Eben weil das Institut „Zeitzeuge“ biologisch abbaubar ist, sollte so viel wie möglich an Erinnerung gerettet werden.

Im Mai wählt Nordrhein-Westfalen. Für wen steht mehr auf dem Spiel – für Merkel oder für Schröder?

Vergeigt Rüttgers, wird das gegen Merkel instrumentalisiert werden. Weder hat Stoiber seinen Doch-nicht-Sieg verwunden noch Koch aufgegeben. Die ganze Breite Kohl’scher Integrationskraft sehen viele Christdemokraten sowieso eher bei einem gereiften Wulf. Vergeigt Steinbrück, schart sich die Restsozialdemokratie verängstigt um den einzigen Matchwinner den sie haben – immer noch Schröder. Müntefering wird loyal bleiben, glaube ich.

Was wird Rot-Grün 2005 innenpolitisch tun?

Wenig. Als Goodie die Abschaffung der Wehrpflicht vorbereiten. Im Vorwahljahr geht’s ansonsten streng in Richtung Politmikado.

Was sollte Rot-Grün innenpolitisch tun?

Die nächste Bundesregierung darauf festnageln, die Kosten im Gesundheitswesen endlich an der Verursacherseite zu packen: der Pharmaindustrie eine weiße Liste der günstigsten guten Präparate aufdrücken; Nichtzahler in die gesetzliche Krankenversicherung holen. Ausstieg der Arbeitgeber aus der Parität freudig weiter als verfassungs-unpatriotisch geißeln. Mittelständische Fernsehproduktionen mit Geld und fürstlichen Steuergeschenken überhäufen. Wichtige gesellschaftliche Aufgaben definieren, um deren Willen sich die Dienstpflicht erhalten und in abwehrbarem Rahmen für Frauen öffnen lässt.

Was wird Rot-Grün außenpolitisch tun?

Herrn Bush die Freude bereiten, seinen Lieblingsflugzeugträger im Mittelmeer einzugemeinden, also den EU-Beitritt der Türkei zu forcieren. Und dafür nicht nach Bagdad müssen.

Was sollte Rot-Grün außenpolitisch tun?

Herrn Bush eine Exitstrategie für den Irak präsentieren – mit den USA unter vielen und ferner liefen. Langfristig reicht es nicht, dass Fischer alles vorher wusste. Nun muss er handeln.

Wer wird der Politiker des Jahres 2005?

Oh. Schwer. Siehe oben: Es könnte Christian Wulf werden.

Wo steht Borussia Dortmund im Januar 2006?

Soviel ist sicher: knietief in Schulden. FRAGEN: DAH