„Gott sei Dank hat meine Frau Arbeit“

RADAN KONRADY (49)

Die Unsicherheit ist ein schleichendes Gift. Radan Konrady hat es vor einem Jahr erwischt, als er seinen Job als Maurer und Polier bei einer Berliner Baufirma verlor und danach keine Arbeit mehr fand. „Wenn ich bis Mai nichts finde, rutsche ich in die Sozialhilfe, auch wenn die dann Arbeitslosengeld II heißt“, sagt der 49-jährige gebürtige Ungar. Konrady ist nicht sein richtiger Name – niemand soll wissen, dass er keine Arbeit hat.

In der Baubranche gibt es keine Sicherheiten mehr. Im vergangenen Juni fand Konrady über eine private Vermittlungsagentur Arbeit in München. Doch die Baufirma wollte, dass die Arbeiter das Material selbst bezahlen. „Die wollten sich Geld von uns leihen“, entrüstet sich der stämmige Mann mit den kurzen grauen Haaren. Konrady kündigte. Wenig später fand er Arbeit auf einer Großbaustelle in Dresden. Dort bezahlte der Subunternehmer den Stundenlohn von 10,50 Euro brutto einfach nicht aus. Konrady ging nach drei Monaten. Er beschwerte sich beim Arbeitsamt, beim DGB – ohne Ergebnis.

Zwielichtige Arbeitgeber sind für Konrady schuld an der Misere im Baugewerbe. Dabei gebe es Jobs, auch in Berlin. Doch die würden von Ich-AGs oder Schwarzarbeitern besetzt, die auch für 6 bis 8 Euro arbeiten. Die Baufirmen nutzen das aus: „Länger als ein Jahr wird heute niemand mehr beschäftigt“, sagt Konrady, „danach wird man ohne Grund rausgeschmissen.“

Früher war das anders. Seit 32 Jahren ist Konrady in Deutschland, seit 27 Jahren arbeitet er als Maurer. Er spricht perfekt deutsch, hat keine Probleme mit Wörtern wie „Mindesttariflohn“ und „Vermittlungsagentur“. Das Handwerk hat er sich selbst beigebracht. „Viele Arbeitgeber verlangen Facharbeiter. Aber die beherrschen ihr Handwerk oft nicht so gut wie ich“, sagt er und lächelt zum ersten Mal während des Gesprächs.

Nun hofft er auf das Frühjahr – auf Arbeit, die ihn vor dem Arbeitslosengeld II bewahrt. Bloß keinen Ein-Euro-Job, davon könnte er seine Familie nicht ernähren. „Gott sei Dank hat meine Frau noch Arbeit“, sagt er. Und fügt hinzu: „Alles, was ich erreicht habe, geht langsam verloren.“ JOHANNES HONSELL