Prall gefüllte Beutel gegen leere Mägen

Die Kirchen eröffneten gestern drei Abgabestellen mit gespendeten Lebensmitteln für arme Menschen. Bis Jahresende 100 Stellen geplant

VON JULIANE GRINGER

„Noch ein paar frische Sachen“, sagt Theresa, eine ehrenamtliche Helferin der katholischen Gemeinde St. Sebastian, und reicht eine ordentliche Portion Kiwis und Äpfel in einer Plastiktüte über den Tisch: „Damit alle satt werden.“ Die Frau, die die Früchte nach Hause tragen darf, bedankt sich. Sie ist nervös und schämt sich etwas, dass sie heute hier Essen abholen muss. Aber mit den Lebensmitteln, die sie fast umsonst bekommt, kann sie ihrer Familie sicher für ein paar Tage ausreichend Essen auf den Tisch bringen. „Ich habe zwei kleine Töchter, die werden sich freuen“, sagt sie schüchtern. Sie sei arbeitslos, ihr Mann auch, das Geld reiche einfach nicht – mehr verrät sie nicht über sich und läuft schnell davon.

Seit gestern gibt es die ersten drei Lebensmittelabgabestellen in kirchlichen Gemeinden in Berlin. Hier dürfen sich Bedürftige Beutel mit gespendetem Essen abholen. Die Berliner Tafel e. V. hat die Stellen in Kooperation mit dem Rundfunk Berlin-Brandenburg initiiert, die Gemeinden sollen sie nach einem Monat Starthilfe selbst organisieren. Das Projekt heißt „Laib und Seele“. Einen Beutel mit gemischten Lebensmitteln, Brot, Obst und Gemüse bekommt jeder, der einen Arbeitslosenhilfe-, Sozialhilfe- oder Rentenbescheid vorlegt. Aber weggeschickt würde auch niemand, der wirklich bedürftig ist, sagt Wolfgang Schmalor von Berliner Tafel e. V. Symbolische 50 Cent kostet der Lebensmittelbeutel für eine Einzelperson, 1 Euro für zwei Leute. Verteilt wird, solange die Spenden ausreichen.

Schon in der ersten halben Stunde nutzten gestern Vormittag etwa 40 Menschen das neue Angebot der katholischen Gemeinde St. Sebastian im Wedding. Auch die evangelischen Gemeinden Advent-Zachäus in Prenzlauer Berg und Heilig Kreuz-Passion in Kreuzberg freuten sich über reichlich Zuspruch. Bis Ende Januar wollen sich zwei Gemeinden in Neukölln und Mitte anschließen und ebenfalls Abgabestellen eröffnen. Bis Jahresende sollen es 100 werden. Damit soll ein flächendeckendes Angebot bestehen.

„Wir wollen die breite Bevölkerung erreichen in ihren Wohngebieten und sie konstant mit Lebensmitteln versorgen“, erklärt Sabine Werth, Vorsitzende des Vereins Berliner Tafel. „Berlin ist groß, die bisher existierenden Einrichtungen können nicht alles abdecken.“

Vor allem auch an alte Menschen richte sich das Angebot. „Viele von ihnen schämen sich, Hilfe anzunehmen“, so Werth. „Die Hemmschwelle ist bei kirchlichen Einrichtungen schon geringer, und vielleicht kann man es irgendwann sogar so organisieren, dass Senioren, die nicht selbst kommen können, das Essen nach Hause gebracht bekommen.“

Im Moment gilt es aber erst, die Abgabestellen zu etablieren und bekannt zu machen. Die 47-jährige Theresa, die gestern im Wedding die ersten Beutel an Bedürftige verteilte, ermunterte alle, wiederzukommen und Bekannten von dem Angebot zu erzählen. Sie selbst ist arbeitslos, will mit ihrer Hilfe etwas Sinnvolles tun. „Es läuft schon gut, aber wir bräuchten noch mehr Unterstützung von Ehrenamtlichen. Auch größere Räume würden uns die Arbeit sehr erleichtern. Das Essen muss ja gut gelagert werden.“

Die Lebensmittelspenden kommen von Supermarktketten und Discountern wie Lidl. „Im Moment bräuchten wir auch dringend Geldspenden für Benzin“, sagt Sabine Werth. Um allen Gemeinden in der Anfangsphase bei der Organisation der Abgabestellen zu helfen und die Lebensmittel zu transportieren, sind viele Touren mit den Transportern der Berliner Tafel nötig.