Daddy, geh Spenden sammeln!

US-Präsident George W. Bush tut alles für die Opfer – und fürs ramponierte Image. Sogar Vater und Bruder hat er zu Fluthelfern gemacht

WASHINGTON taz ■ Eine Woche nach dem Beginn der Flutkatastrophe in Asien und heftiger einheimischer Kritik an schleppender Hilfe für die Opfer ist im Weißen Haus Aktionismus ausgebrochen. Finanzhilfen werden aufgestockt, Kriegsschiffe entsandt und viele Worte persönlicher Anteilnahme gesprochen. Präsident George W. Bush ist bemüht, eine in den vergangenen Jahren etwas verschüttete Eigenschaft Amerikas – sein internationales humanitäres Engagement – aufzupolieren.

Mit symbolischen Gesten will Bush Mitgefühl und Hilfsbereitschaft bekunden. Am Sonntag entsandte er Nochaußenminister Colin Powell und Bruder Jeb – als Gouverneur von Florida erfahren mit Hurrikan-Katastrophen – in die Krisenregion. Am Montag berief er die Expräsidenten Bill Clinton und Bush Senior zu „Promi-Spendensammlern“, die zu Hause die landesweiten Spendenaktionen leiten sollen. Er ordnete an, vor US-Gebäuden weltweit die Fahnen auf Halbmast zu hängen.

Die Regierung engagiert sich jedoch auch finanziell stärker. Nachdem ihr anfänglich Geiz vorgeworfen wurde, verzehnfachte sie ihre Soforthilfe auf 350 Millionen Dollar und stellte sogar weitere Gelder in Aussicht. Zudem verschlingt die angelaufene größte militärische Hilfsaktion seit 50 Jahren Millionen. Ein Flugzeugträger, weitere Schiffe der Navy, Helikopter und Marinesoldaten bauen in Indonesien, Sri Lanka und Thailand eine Luftbrücke auf.

Vor allem in Indonesien, dem Land mit der weltweit größten muslimischen Bevölkerung, ist das Ansehen der USA nicht erst seit dem Irakkrieg auf dem Tiefpunkt. Hier, wie in vielen Ländern Südostasiens, wird Amerika eher als aggressiver Hegemon wahrgenommen, der den Kampf gegen den Terror zum Ausbau seiner Weltmachtstellung nutzen will, und viel weniger als helfende Supermacht, die auch ihre „Soft Power“ zum Einsatz bringt. Überdies kümmerte sich Bush in Asien neben seiner Antiterrorpolitik bislang allenfalls um den Nordkoreakonflikt und vernachlässigte nach Ansicht von Experten wichtige Länder wie Malaysia und Indonesien, in denen ein moderater Islam zu Hause ist und die bei der Zurückdrängung fundamentaler muslimischer Strömungen eine Schlüsselrollen spielen könnten. Bush habe nun die einmalige Chance, seinen Kurs in Asien zu korrigieren, schrieb daher die New York Times.

Üben sich Opposition und Regierung nunmehr im Schulterschluss, was die Katastrophenhilfe anbetrifft, geht der Streit weiter, ob tausende Menschenleben hätten gerettet werden können, wenn es nur rechtzeitige Warnungen gegeben hätte – eine Debatte, die nicht zuletzt durch die auch 5.000 vermissten Amerikaner geschürt wird. So wird der US-Kongress prüfen, ob die Behörde für Meeres- und Atmosphärenforschung (NOAA) versagte, indem sie betroffene Länder nicht rechzeitig alarmierte.

Zwar hatte eine NOAA-Station auf Hawaii das schwere Seebeben früh registriert. Zwei Warnungen, die die Behörde kurz nach dem Beben versandte, gingen jedoch nur an die 26 Staaten, die im „Pacific Ocean Tsunami Warning System“ zusammengeschlossen sind. Von den betroffenen Staaten gehören Indonesien und Thailand dazu, Indien, Sri Lanka und die Malediven jedoch nicht. In der ersten Warnung hieß es lediglich, dass keine Tsunami-Gefahr für den Pazifischen Raum bestehe. Über den Indischen Ozean gab es keine Auskunft. Fünfzig Minuten später schickte die Behörde aber einen aktualisierten Hinweis, dass es nahe des Epizentrums die Gefahr einer Flutwelle gebe.

Obwohl die NOAA nur für den Pazifik und nicht für den Indischen Ozean zuständig ist, werfen ihr Kritiker vor, zu wenig getan zu haben, um ihre Informationen weiterzuleiten. Die Forscher auf Hawaii weisen das zurück. Sie hätten nicht über die nötigen Kontakte verfügt, um alle betroffenen Staaten zu alarmieren. Trotzdem hätten sie versucht, die dortigen Behörden zu warnen, jedoch ohne Erfolg. MICHAEL STRECK