Unter Hausarrest

Chiles Oberster Gerichtshof hält an der Anklage gegen Exdiktator Augusto Pinochet fest – für ihn wird es eng

PORTO ALEGRE taz ■ Im Tauziehen um einen Prozess gegen Augusto Pinochet wegen seiner maßgeblichen Rolle bei der so genannten Operation Cóndor gegen lateinamerikanische Oppositionelle in den 70er-Jahren ist die Anklage einen wichtigen Schritt vorangekommen. Gestern sollte der 89-jährige Exdiktator auf seinem Landsitz 130 Kilometer von Santiago erneut unter Hausarrest gestellt werden – zuletzt war dies Anfang 2001 der Fall. Tags zuvor hatte Chiles Oberster Gerichtshof mit drei zu zwei Stimmen die Anklage wegen eines Mordes und neun Entführungen im Rahmen der Operation Cóndor bestätigt. Allerdings erklärten sich die drei Richter des Mehrheitsvotums für eine Entscheidung über Pinochets Verhandlungsfähigkeit für nicht zuständig.

Damit rückten sie, wenn auch nur halbherzig, von der einstimmigen und „endgültigen“ Entscheidung derselben Strafkammer im Juli 2002 ab, wonach Pinochet wegen „mentaler Probleme“ verhandlungsunfähig sei und schoben den schwarzen Peter dem Appellationsgericht von Santiago zu. Als Erster wies Pinochets Verteidiger Pablo Rodríguez auf diesen Widerspruch hin, wo doch der Gesundheitszustand seines Mandanten heute „viel schlechter“ sei als 2002. In einem Militärkrankenhaus war Pinochet kurz vor Weihnachten bereits die Letzte Ölung erteilt worden, obwohl die Ärzte bereits bei seiner Einlieferung bestritten hatten, dass sein Zustand ernst sei.

Viel spricht für die These, bei dem viertägigen Krankenhausaufenthalt Pinochets habe es sich um ein Ablenkungsmanöver gehandelt. Kurz zuvor hatte ihn Ermittlungsrichter Juan Guzmán angeklagt und ihm Verhandlungsfähigkeit bescheinigt.

Ähnlich wie amnesty international feierte der Menschenrechtsanwalt Eduardo Contreras die Entscheidung vom Dienstag als „historisch“. Nun seien die Widersprüche innerhalb des Obersten Gerichts deutlich und ein „neuer Weg“ hin zur Verhaftung und Verurteilung des Exdiktators eröffnet worden. Die konservative Tageszeitung El Mercurio analysierte, zum Stimmungswandel gegen Pinochet hätten vor allem zwei Faktoren beigetragen: ein im November 2003 ausgestrahltes Interview, in dem sich Pinochet gebrüstet hatte, ein „Engel“ zu sein, der nie jemanden umgebracht oder dies angeordnet hatte. Und der Skandal um die 2,8 Millionen Steuergelder, die Pinochet auf Konten der Riggs-Bank in Washington geschafft haben soll.

GERHARD DILGER