Die Kirchen müssen draußen bleiben

RELI Gegen eine allgemeine Religionskunde wehren sich evangelische und katholische Kirche. Bereits jetzt haben sie in keinem anderen Bundesland so wenig Einfluss auf Schüler wie in Bremen

„Glaube kann doch kein Kriterium für einen qualifizierten Unterricht sein“

Christine Grewe, Religionslehrerin

Adnan, Michael und Martha können einem leidtun – jedenfalls aus Sicht der Bremer Kirchen. Der Muslim, der Atheist und die Katholikin sind gezwungen, an ihrem Gymnasium im Bremer Süden im gemeinsamen Religionsunterricht über ihren Glauben und ethische Fragen zu diskutieren. Und das unter Anleitung einer Frau, die ihre eigene Religiosität nicht zum Thema macht! Ob und an wen oder was sie glaubt – „das kann doch kein Kriterium für einen qualifizierten Unterricht sein“, sagt die Religions- und Englischlehrerin Christine Grewe. Und: Sie wolle den Jugendlichen helfen, ihre eigene Position zu finden – und keine vorgeben. Deshalb beantwortet die 40-Jährige Fragen der Schüler nach ihrem Glauben nur, wenn diese ganz hartnäckig nachhaken. Doch Überraschung: Die wenigsten interessieren sich überhaupt dafür. Wenn sie fragen, dann meistens erst, wenn sie die Schule verlassen haben.

Die Bremer Kirchen fechten solche Erfahrungen nicht an. Sie glauben, im Interesse von Kindern und Jugendlichen zu handeln, wenn sie sich für eine Aufteilung nach Religionszugehörigkeit einsetzen. Islamkunde für Adnan, Ethik für Michael, und für Martha bliebe es bei der Bremer Variante des Religionsunterrichts, dem Biblischen Geschichtsunterricht, kurz „BGU“. Auf diese Weise könnten die Religionen „authentisch“ dargestellt werden, glaubt der Schriftführer der Bremischen Evangelischen Kirche, Renke Brahms. Immerhin: Katholiken und Protestanten dürften nach Ansicht von Brahms und des katholischen Propstes weiter gemeinsam unterrichtet werden.

Das ist deshalb so, weil laut Bremer Landesverfassung die Verantwortung für den Religionsunterricht beim Staat liegt: So wenig Einfluss haben die Kirchen in keinem anderen Bundesland. Das bedeutet, dass an vielen Bremer Schulen – mit Ausnahme der Grundschulen – bereits ein religionsübergreifender Unterricht stattfindet. Dies sollte endlich per Gesetz festgeschrieben werden, finden die Bremer Grünen, die die immer mal wieder geführte Diskussion um den BGU gerade neu belebt haben. BGU sei nicht mehr zeitgemäß, argumentieren sie – angesichts von Schulklassen, in denen oft nur eine Handvoll Christen zwischen Atheisten, Hinduisten und Muslimen sitzt. Jetzt warten die Grünen darauf, dass sich der Koalitionspartner, die in Bremen recht fromme SPD, zu einer Position durchringt.

Konsens gibt es zwischen Parteien und Religionsgemeinschaften in einem Punkt: Der Unterricht soll verbindlich angeboten werden. Dass ein Fach Islamkunde eine Lösung wäre, glauben allerdings nur die Kirchen. „Was soll die bringen?“, fragt der 19-Jährige Adnan aus Grewes Religionskurs. Er gibt selbst die Antwort: Die Kluft zwischen „uns“ und „denen“ würde nur noch größer. Die Chance, sich zu verständigen, vertan. Es gibt niemand in seinem Kurs, der widersprechen würde, und auch auf diesem und anderen Bremer Schulhöfen müsste man wohl lange suchen, um jemanden zu finden, der oder die sich von den Kirchen gut vertreten fühlt. EIKEN BRUHN