Der gebetene Gastarbeiter

Der Besuch des französischen Konservativen Nicolas Sarkozy bei CDU und CSU zeigt: Ausländer sind in Deutschland immer dann besonders willkommen, wenn sie in ihrem Ausland mächtige Leute sind

Wenn deutsche Politiker ihre Argumente so oft wiederholt haben, dass sie niemand mehr von ihnen hören will, dann bleibt ihnen nur ein Ausweg: Sie müssen sich einen befreundeten Politiker aus dem Ausland kommen lassen, der dasselbe nochmal sagt – nur sagt der befreundete Ausländer dasselbe ungleich vertrauenswürdiger. Denn er hat erstens schon Erfahrungen im eigenen Land gesammelt. Und zweitens einen interessanten Akzent. Trotzdem sollte er nicht alles sagen, was ihm so durch den Kopf geht …

Nicolas Sarkozy (Frankreich), eingeladen von Edmund Stoiber (CSU) nach Wildbad Kreuth, 2005.

Sarkozy, Chef der konservativen UMP, durfte noch einmal wiederholen, was Stoiber schon immer sagt: Die Türkei soll nicht Vollmitglied der EU werden. Auf die Frage, warum er sich einmal als „Stoiber Frankreichs“ bezeichnet hatte, antwortete Sarkozy: „Oh, ich war übermütig. Aber wenn ich einmal einen so eklatanten Wahlsieg einfahre wie Stoiber in Bayern, würde ich das noch mal sagen.“

Was Sarkozy lieber verschwieg: Dass er auf keinen Fall ein Wahlergebnis wie jenes Stoibers bei der Bundestagswahl haben will.

Michail Gorbatschow (Sowjetunion), eingeladen von Erich Honecker (DDR) nach Berlin, 1989.

Der Besuch vom großen Bruder hatte in der DDR Tradition und die Funktion der Rückendeckung. Gorbatschow nahm zwar zum 40. Jahrestag der DDR auf der Ehrentribüne die Militärparade ab, vergab Bruderküsse und sprach: „Wer in der Politik zu spät kommt, den bestraft das Leben“, was Honecker aber falsch verstand: Beim abendlichen Staatsbankett erklärte er, die Politik der BRD sei dringend reformbedürftig.

Was Gorbatschow lieber verschwieg: Dass die Reform der BRD in die Einverleibung der DDR münden würde.

Wladimir Putin (Russland), eingeladen von Gerhard Schröder (Deutschland) zum Geburtstag 2004.

Zu seiner Geburtstagsparty lud Gerhard Schröder den Vorzeigedemokraten aus dem Kreml ins Reihenhaus in Hannover, um zu zeigen: Ich mag den Typen, der Typ mag mich, wir sind beide starke Typen – und wir machen Geschäfte miteinander. Putin brachte als Verstärkung sogar einen Kosakenchor mit.

Was Putin lieber verschwieg: Was er wirklich von Schröder, Demokratie und dem Kosakenchor hält.

Göran Persson (Schweden), eingeladen von Gerhard Schröder (Deutschland) zur Kabinettsklausur in Bonn, 2004.

Persson erklärte der deutschen Regierung in einem Sommer voller katastrophaler Umfragewerte, dass auch Sozialdemokraten große, einschneidende Reformen überleben. Man müsse an die Härten nur auch Versprechen knüpfen: mehr Familienpolitik zum Beispiel. Schröder strahlte: „Wir fühlen uns durch das schwedische Beispiel ermutigt, unsere Arbeit ohne Wenn und Aber und ohne jede Einschränkung fortzusetzen.“

Was Persson lieber verschwieg: Was Familienpolitik kostet. Der Anteil der Sozialstaatskosten liegt in Schweden immer noch über 50 Prozent – für Deutschland undenkbar.

Tommy Thompson (USA), eingeladen von Ulla Schmidt (Deutschland) nach Berlin, 2003

Der erst kürzlich zurückgetretene US-Gesundheitsminister kam immer gerne nach Deutschland. Hier verwies er nicht nur gern auf seine deutschen Wurzeln, sondern auch darauf, dass etwa die Pharmaindustrie in den USA noch viel bessere Entwicklungschancen hat als hierzulande. Der deutschen Gesundheitsministerin konnte nach seiner Abreise immer schön darauf verweisen, dass man ja von amerikanischen Verhältnissen dank der Sozialdemokratie himmelweit entfernt sei.

Was Thompson lieber verschwieg: Dass die US-Pharmafirmen sich auch in Deutschland schon noch durchsetzen werden.

Schah Reza Pahlewi (Persien), eingeladen von Kurt Georg Kiesinger (Deutschland) nach Berlin, 1967.

Kanzler Kiesinger lud den Herrscher aus dem Morgenland, um Wirtschaftskontakte zu vertiefen und ein wenig Glamour in die öde Republik zu bringen. Vorher wollte er den Perser durch einen Opernbesuch („Die Zauberflöte“) weich klopfen. Weich geklopft wurden aber eher die Gegendemonstranten von so genannten Jubelpersern, erschossen wurde Benno Ohnesorg.

Was der Schah lieber verschwieg: Seine Kokainsucht.

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