In Bush they trust

Hat in den USA eine konservative Revolution stattgefunden? Können sich die Republikaner nach dem zweiten Wahlsieg George W. Bushs auf Jahrzehnte der unangefochtenen Vorherrschaft freuen? Möglicherweise. Möglicherweise stehen die US-Konservativen allerdings jetzt am Beginn ihres Niedergangs

„Die Wähler sind nach rechts gerutscht, aber nicht dramatisch“

AUS WASHINGTON MICHAEL STRECK

Seit dem klaren Wahlsieg von George W. Bush im November strotzen die Republikaner vor Kraft. Der Präsident glaubt an ein überwältigendes Mandat, Nation und Welt zu verändern. Akademiker und Meinungsmacher debattieren heftig, ob Amerika durch den Wahlausgang eine republikanische Vorherrschaft ins Haus steht, die Demokraten langfristig in eine Statistenrolle gedrängt werden, ähnlich wie die Tories in Großbritannien durch Tony Blair, oder bereits der Gipfel der Macht erreicht wurde und es jetzt für die Konservativen nur noch abwärts gehen kann.

Nun haben sich Vorhersagen dieser Art in der Vergangenheit oft als trügerisch erwiesen. Und Gründe, skeptisch zu sein, gibt es auch diesmal genug. Bush gelang schließlich kein Erdrutschsieg. Kontrahent John Kerry blieb gefährlich bis zum Schluss und konnte die Wahlbeteiligung der Demokraten deutlich erhöhen. Auch sammelte er so viele Stimmen wie kein demokratischer Kandidat je zuvor, nicht einmal Superstar Bill Clinton. Zudem konnte er unter unabhängigen Wählern weitaus besser punkten als der Texaner.

Doch selbst bei nüchterner Betrachtung stehen die Zeichen derzeit auf Rot. Bush ist der erste Kandidat seit 1988, der die 50-Prozent-Marke übersprang. Er konnte in 48 Staaten zulegen. Er brach in traditionelle Wählergruppen der Demokraten ein, darunter jene der Frauen und Latinos. Die Konservativen beherrschen nun Regierung, Kongress und womöglich bald auch den Obersten Gerichtshof. Dies gibt ihnen die Möglichkeit, Amerika ihren Stempel aufzudrücken. Im Kongress lassen die Republikaner keinen Zweifel daran, dass sie die demokratische Opposition marginalisieren wollen.

„Es war eine Wahl, die Amerika fundamental verändern wird. Sie eröffnet uns die Chance, Politik langfristig neu zu gestalten“, prophezeit Ken Mehlman, Bushs Wahlkampfmanager und bald Chef der Republikaner. Er sieht die Partei in der stärksten Position seit der großen Depression, jenem Wendepunkt in den 30er-Jahren, als Präsident Franklin D. Roosevelt dank kühner Sozial- und Wirtschaftsreformen sowie einer weitsichtigen und mutigen Außenpolitik die Macht der Demokraten auf Jahre zementierte.

Eine ähnliche Zeitenwende wie damals beschreibt auch Adrian Wooldrige in seinem Buch „The Right Nation: Conservative Power in America“. Der Washington-Korrespondent des Economist glaubt nach dem Wahlerfolg Bushs an den Beginn einer republikanischen Ära. „Die Umstände, unter denen er gewonnen hat – ein unpopulärer Krieg, ein stotternder Wirtschaftsmotor – untermauert die Idee, dass wir uns in einer Periode konservativer Vorherrschaft befinden.“ Doch er warnt davor, republikanische mit konservativer Hegemonie zu verwechseln. Das Gravitätszentrum amerikanischer Politik sei derzeit konservativ, so wie es in den Sechzigerjahren liberal war. Das hieße nicht, die Demokraten seien zum Verlieren verdammt. Nur müsste der rechte Flügel in der Partei schlagkräftiger werden.

Wenn es stimmt, dass amerikanische Instinkte in Politik und Gesellschaft immer schon tendenziell konservativer waren als in Europa, dann hat in Zeiten von Krieg und Terrorangst die Partei von „Law and Order“ einen „natürlichen“ Vorteil. Sollten die Republikaner also weiterhin die Terrorkarte gemeinsam mit der Religionskarte – Unsicherheit fördere die Suche nach metaphysichem Halt – spielen, könne dies eine Zeit lang für die Hebel der Macht reichen, glaubt Walter Dean Burnham von der University of Texas.

Für jeden Befürworter findet sich jedoch auch ein Gegner der Vorherrschaftsthese. Ruy Teixeira vom „Center for American Progress“, der vor zwei Jahren noch eine Ära der Demokraten vorhersagte, räumt zwar ein, dass sich diese nicht eingestellt habe, aber auch nicht das Gegenteil: „Die Wähler sind nach rechts gerutscht, aber nicht dramatisch.“ Ein 51-Prozent-Stimmenanteil sei keine Zahl, auf der man sich ausruhen könne. Bush profitierte seiner Ansicht nach vom „Machtbonus“ des Amtsinhabers und von unsicheren Kriegszeiten. Die aktuellen Zustimmungswerte seien überdies dürftiger als die seiner Vorgänger zu Beginn der zweiten Amtszeit. „Es fällt mir schwer, dies als ein gewichtiges Mandat zu lesen.“

Andere verweisen darauf, dass die wichtigen unabhängigen Wähler klar zu den Demokraten tendierten. Die Republikaner hätten zwar eine Serie von knappen Wahlen gewonnen, sagt Lawrence Jacobs von der University of Minnesota, er könne jedoch „beim besten Willen keine Vorherrschaft erkennen, wenn sich die Wechselwähler von dir abwenden.“

Dennoch müssen sich die Demokraten gegen nachteilige geografische und demografische Trends stemmen. Die größte Einwanderungsgruppe, die Latinos, ist überwiegend sozialkonservativ eingestellt. Haben Hispanics erst den Aufstieg in die Mittelschicht geschafft, suchen sie ihr Heil nicht mehr bei den Demokraten als der Partei des kleinen Mannes. Zudem verlieren die Demokraten in den Wachstumsregionen des Landes, vor allem in den „Suburbs“. Bush gewann nach einer Studie der Los Angeles Times in 97 der 100 am schnellsten wachsenden Landkreise.

„Es war eine Wahl, die Amerika fundamental verändern wird“

Die Republikaner verfügen außerdem über einen gewichtigen organisatorischen Vorteil: Die konservative Bewegung hat seit den 70er-Jahren systematisch in Denkfabriken, Stiftungen, Magazine und Radioprogramme investiert, die ihre politischen Ideen produzieren und verbreiten. Die Demokraten hingegen ruhten sich auf den Lorbeeren der Vergangenheit aus.

Darüber hinaus plagt sie ein Imageproblem: In der Wählerschaft gibt es das Gefühl, dass sie den Draht zum Alltag der Bevölkerung verloren haben – eine grandiose Ironie, schließlich haben sich die Republikaner unter Bush so klar wie selten zuvor zum Anwalt der Wohlhabenden gemacht. Doch es misslang Kerry, sich als jemand zu präsentieren, der die Sorgen und Sehnsüchte einfacher Amerikaner teilt, wie dies Roosevelt und Clinton taten.

Vielleicht haben die Wähler aber auch einfach erkannt, dass die Demokraten blutleer sind. Die großen politischen Konzepte der letzten zwei Jahrzehnte – Staatsabbau, Steuersenkung, Deregulierung, militärische Überlegenheit – gingen auf das Konto der Republikaner. Die Demokraten haben sie dann modifiziert übernommen. Mehr als alles andere benötigen sie daher neue Visionen. Zuerst im Kampf gegen den Terror. „Sie haben die Wahl verloren, da ihnen die Amerikaner nicht zutrauen, das Land sicherer zu machen“, schreibt Peter Beinhart in der New Republic. Viele Parteiaktivisten, vor allem an der Basis und in der Friedensbewegung, wollten die Bedrohung durch den radikalen Islam immer noch nicht wahrhaben. Er rät ihnen, sich an die 40er-Jahre zu erinnern, als die Demokraten die Bedrohung durch den Stalinismus zuerst auch nicht erkannten, dann aber eine vielschichtige Eindämmungspolitik – siehe Marshallplan – entwickelten. Bushs Fehleinschätzungen, Blindheit und einseitiger Glaube an militärische Mittel böten reichlich Chancen, eine klügere, dabei Erfolg versprechende Sicherheitspolitik zu entwerfen.

Das Vorbild für die Demokraten, so meinen viele Beobachter, regiere jenseits des Atlantiks: Tony Blair. Dieser, der wiederum bei Clinton in die Schule ging, schmiedete aus einer ideenlosen, schlecht organisierten und hoffnungslosen Labour Party eine erdrückende Mehrheitspartei. Hierzulande könnte Schützenhilfe von den Republikanern selbst kommen. Sie liefen Gefahr, den Bogen zu überspannen, meint Wooldridge. Die Partei Ronald Reagans sei in der Lage gewesen, die Balance zwischen dem wirtschaftsliberalen und sozialkonservativen Flügel zu halten. Doch der innerparteiliche Schwerpunkt habe sich mittlerweile dramatisch nach rechts verschoben, und der Einfluss orthodoxer Christen in der Parteiführung sei gestiegen. „Amerika ist kein radikales Land. Dieser Rechtsruck kann leicht in die Hose gehen, das Land verschrecken und den Grundstein für ein Comeback der Demokraten legen.“