Neue Regierung sitzt in einem leeren Gebäude

Der rumänische Ministerpräsident Tariceanu will das Land reformieren. Seine Koalition ist ein Zweckbündnis. Doch mit dem Außenminister und der Justizministerin gehören auch zwei profilierte Unabhängige der neuen Mannschaft an

BERLIN taz ■ Als Rumäniens neue liberaldemokratische Regierung in den letzten Dezembertagen zur Arbeit antreten wollte, fand sie ein verwaistes Amtsgebäude vor. Die gerade abgewählten Post- und Wendekommunisten hatten den imposanten „Palast des Sieges“ im Bukarester Stadtzentrum buchstäblich leer geräumt. In den Büros der Minister fehlten Möbel, Computer und Gemälde. Die meisten Telefonleitungen waren tot, viele Akten und Dienstwagen verschwunden.

Der neue Regierungschef Calin Popescu Tariceanu und seine Minister richteten sich gerade notdürftig ein, da verkündeten sie auch schon die erste Reform: die Einführung eines einheitlichen Niedrigsteuersatzes von 16 Prozent für Personeneinkommen und Unternehmensgewinne zum 1. Januar. Rumänien wird damit zu einer europäischen Steueroase. Die Regierung hofft, dass sie auf diese Weise die Schwarzarbeit und den grassierenden Steuerbetrug eindämmen und mehr ausländische Investoren ins Land holen kann.

Die Niedrigsteuerpolitik ist nur eine von vielen groß angelegten Reformen. Tariceanu verspricht, dass seine Regierung den „Zustand des Überganges endlich beenden“ und Rumänien zu einem „normalen“ Land machen werde. Doch das Eiltempo, mit dem die Regierung ihre Arbeit begann, täuscht. Denn die neue Bukarester Mitte-rechts-Koalition eint wenig mehr als der Wille zur Macht.

Sie verfügt nur über eine hauchdünne Parlamentsmehrheit, vier Parteien sind in ihr vertreten: Liberale, Demokraten, ungarische Minderheit und eine obskure Splitterpartei namens Humanisten, die sich vor allem dadurch hervortut, dass ihr Chef, Dan Voiculescu, Besitzer eines einflussreichen Medienimperiums ist.

Andererseits glänzt die Regierung durch einige herausragende Persönlichkeiten: vor allem der parteilosen Außenminister Mihai Razvan Ungureanu und die ebenfalls parteilose Justizministerin Monica Macovei. Wenn Rumänien es schafft, alle noch verbleibenden Hürden der für 2007 angepeilten EU-Mitgliedschaft zu nehmen, wird das nicht zuletzt ein Verdienst dieser beiden Minister sein.

Der 36-jährige Ungureanu ist ein brillanter Historiker und einer der wenigen rumänischen Außenpolitiker von internationalem Format. Vor zehn Jahren hatte ihn der Securitate-Nachfolgegeheimdienst SRI wegen „antirumänischer Aktivitäten“ bespitzelt, weil er Studien zur Geschichte von Minderheiten in Rumänien verfasst hatte. Als Staatssekretär im Außenministerium war Ungureanu von 1998 bis 2001 für Europäische Integration zuständig, seit 2001 hatte er als Regionalkoordinator des Balkan-Stabilitätspaktes gearbeitet.

Justizministerin Monica Macovei, 45, war bisher Vorsitzende der Rumänischen Menschenrechtsvereinigung (Apador-CH) und vertritt als Anwältin Klagen ihrer Landsleute vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Sie will sich für mehr Pressefreiheit im Land einsetzen, einen konsequenten Kampf gegen Korruption und Wirtschaftskriminalität im Staatsapparat führen und die seit Jahren von der EU eingeklagte Unabhängigkeit der Justiz endlich durchsetzen.

Dass die unabhängigen und „sauberen“ Minister nicht nur als Aushängeschilder dienen, muss die Regierung allerdings erst noch beweisen. Denn das Bild der ehrlichen, konsequenten Reformregierung, das Tariceanu zeichnet, hat einige Schönheitsfehler. In den Augen hunderttausender Rumänien, die an der Armutsgrenze leben, zum Beispiel den, dass es eine Regierung „reicher Männer“ ist. Tariceanu selbst hat es mit Automobilhandel zum Multimillionär gebracht. KENO VERSECK