„Abzocke“ mit behördlichem Segen

Baden-württembergische Ex-Kabinettsmitglieder Palmer und Döring bestreiten unrechtmäßigen Bezug hoher Pensionen. Auch das zuständige Landesamt widerspricht SPD-Gutachten. Palmer: Debatte über Politikerbezüge „Sargnagel der Demokratie“

AUS FRANKFURT HEIDE PLATEN

Das „Sch“-Wort, sagte der baden-württembergische Ex-Staatsminister Christoph Palmer (42) gestern zur taz, wolle er lieber nicht gedruckt sehen. Und so manchen anderen deftigen Ausdruck, der ihm vormittags am Telefon herausrutschte, auch nicht. Dennoch fühle er sich durch die Debatte um seine Ruhebezüge nachgerade überfahren.

Palmer war im November 2004 zurückgetreten, nachdem er den Parteifreund Joachim Pfeiffer bei der Feier zur Stuttgarter Oberbürgermeisterwahl in einem Streit um die Nachfolge von Ministerpräsident Erwin Teufel geohrfeigt hatte. Der derzeitige Landtagsabgeordnete und Stuttgarter CDU-Kreisvorsitzende sagte, er habe sich noch gar nicht um die Rechtmäßigkeit der Zahlungen gekümmert: „Ich habe bisher null unternommen.“

Er habe Ende November 2004 lediglich einen offiziellen Bescheid der Landesanstalt für Besoldung und Versorgung zur Kenntnis genommen. Diese Landesanstalt erklärte auch gestern noch einmal, die Pensionszahlungen seien rechtlich einwandfrei. Damit widersprach der Präsident der Behörde, Gernot Kircher, einem Gutachten, das von der SPD-Landtagsfraktion in Auftrag gegeben worden war. Dieses hatte sich auf das Anfang 1998 novellierte Ministergesetz berufen. Danach können Ruhegelder ehemaliger Minister erst mit Erreichen des 55. Lebensjahres oder nach mindestens acht Jahren Amtszeit in Anspruch genommen werden.

Auf Grundlage dieses Gutachtens hatte SPD-Fraktionssprecher Wolfgang Drexler Palmer ebenso wie seinem Amtskollegen, dem ehemaligen Wirtschaftsminister Walter Döring (FDP), „pure Abzocke“ vorgeworfen. Drexler forderte Teufel in einem Brief auf, die Zahlungen zu stoppen. Sie seien „ohne jede rechtliche Grundlage“. Die Opposition will außerdem „den Vorwurf der Untreue“ gegen beide Politiker prüfen lassen. Sie sollen laut Finanzbehörde zusätzlich zu ihren sonstigen Einnahmen je 4.300 Euro Pension erhalten.

Der Politikwissenschaftler Palmer erklärte gestern, er habe sich zuerst einmal auf die Rechtsauffassung der Besoldungsbehörde und des dafür zuständigen Finanzministeriums verlassen. Es sei nicht seine Schuld, dass diese gegenläufig zum SPD-Gutachten sei. Er selbst habe die einschlägigen Gesetze erst am Wochenende studiert. Danach sei er über acht Jahre lang im Amt, weil das Gesetz für Staatssekretäre dieselbe Ruhestandsregelung wie für Minister vorsehe. Staatsekretär im Wissenschaftsministerium sei er 1996 geworden. Damit addiere sich seine Amtszeit in der Landesregierung insgesamt auf achteinhalb Jahre.

Er sei aber kein Jurist und werde auch gar nichts unternehmen, sondern seinen Fall den widerstreitenden Rechtsexperten zur Prüfung überlassen. Kritik könne er gut aushalten: „Ich ertrage das geduldig. Was soll ich denn sonst machen?“ Außerdem sei ihm jedwede Entscheidung recht. Die Materie sei „schwierig“ und bedürfe genauer Untersuchung.

Andererseits aber, so Palmer, seien die ständigen Debatten über die Entlohnung von Politikern ganz allgemein „immer wieder so Sargnägel für die Demokratie“. Auch Walter Döring (50) wehrte sich gestern gegen den Vorwurf : „Es ist einfach niederträchtig, hier von Abzocke zu reden.“ Er sei ebenfalls davon ausgegangen, dass der Behördenbescheid an ihn rechtsfehlerfrei sei: „Ich muss davon ausgehen, dass die Landesregierung weiß, was mir zusteht.“

Döring war schon im Juli 2004 nach nur anderthalb Jahren Amtszeit wegen einer Affäre um ein Gratis-Gutachten des PR-Beraters Moritz Hunzinger zurückgetreten. Er bezieht außer seinen Landtagsdiäten ein Einkommen als Unternehmensberater.

Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Heinz Däke, forderte gestern eine „rückhaltlose Aufklärung“. Hohe Pensionszahlungen für so junge Exminister seien „gerade in Zeiten, in denen Arbeitslosenunterstützung und Renten gekürzt werden, niemandem vermittelbar“.