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Trashig auf den Punkt

Wo die Liebe hinfällt. Die Künstlerin Tracey Emin war, als sie noch nicht so bekannt war, tatsächlich einmal mit dem Musiker und Maler und passionierten Schnurrbart- und Tweedträger Billy Childish zusammen. Irgendwann in den späten Neunzigern. Nun war Childish, der eigentlich William Charlie Hamper heißt, schon damals nicht als innovativer, fortschrittlicher Mann bekannt. Sondern als jemand, der so schrullig und renitent wie möglich sich jeglichem Fortschrittsdenken verweigerte. In seinem Auftreten, in seiner Kunst, in seiner Musik. So sagte Emin eines Tages beim Anblick seiner rückständigen Kunst zu ihm: „You’re stuck! Stuck, stuck, stuck!“ Woraus Childish sein Konzept des Stuckism strickte – und damit gleich eine Kunstrichtung begründete. Die Stuckisten blieben beim einfachen, beim gemalten Bild; sie machten Ausstellungen und kommentierten und kritisierten den etablierten Kunstbetrieb von selbst gewählter Außenseiterposition aus. Auf die Bilder von Mark D. sei an dieser Stelle beispielhaft hingewiesen.

Auch in der Musik verweigert sich Childish seit eh und je irgendeinem neumodischen Firlefanz. Die abervielen Platten, die er unter abervielen verschiedenen Namen (Mighty Caesars, Milkshakes, Headcoats, The Buff Midways etc.) seit mehr als 40 Jahren auf den nicht gerade darauf wartenden Markt wirft, klingen im Grunde alle gleich. Nämlich möglichst trashig, roh, punkig, auf den Punkt. Die Einflüsse sind klar erkennbar: Zum einen sind es die Beatbands der Zeit vor der psychedelischen Wende, also von 1964 bis circa 1966. Besonders die Riffs der Kinks, von Them und den Troggs haben es Childish angetan, auf denen besteht er immer wieder. Zum anderen natürlich der Punk mit seiner Absage an die Virtuosität und Ausgefranstheit der Hippiebewegung. Keine Keyboards, keine Experimente. Einfache, rohe, geradlinige, wilde Musik. So soll sie sein und nicht anders.

Die vielleicht beste, weil zugänglichste und, Verzeihung, partytauglichste Platte, die Childish je gemacht hat, ist wohl die 1990 erschienene „The Kids Are All Square, This Is Hip“ von den Headcoats. Hier versammeln sich Hits wie „Cowboys Are Square“ und „Davey Crockett“, gespielt in guter, alter, konservativer Hitmanier.

Dass die Konzerte des Manns, der wie aus einem Soldatenfoto aus dem Ersten Weltkrieg entsprungen aussieht, im Gegenteil zu den Platten oft ein Ereignis sind, hat sich rumgesprochen. Nach Berlin kommt Childish immer wieder gerne. Am morgigen Samstag ist er im Festsaal Kreuzberg zu Gast, hier mit den Musicians of the British Empire, und am Sonntag im Monarch mit den Chatham Singers. RENÈ HAMANN

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