palästina
: Ein Präsident des Übergangs

Die Erwartungen sind riesig, die Chancen auf einen radikalen Neuanfang gering. Die Wahl von Mahmud Abbas zum Präsidenten der Palästinenser und ersten Nachfolger des allgewaltigen Jassir Arafat offenbart ein palästinensisches Dilemma. Die Mehrheit der Palästinenser hat schlicht die Schnauze voll vom bewaffneten Kampf, dem Chaos und der Korruption der Autonomiebehörde, der anarchischen Herrschaft der kriminellen Politgangs. Und sie hat genug von einer israelischen Besatzung, die mit rücksichtsloser Brutalität ihren Alltag einschnürt. Das alles weiß auch Abbas.

KOMMENTARVON GEORG BALTISSEN

Doch der Kurs, den der neue Palästinenserpräsident einschlagen wird, kann bestenfalls zu einer Hängepartie werden oder, schlimmer, in der Sackgasse enden. Für einen wirklichen Politikwechsel steht Abbas jedenfalls nicht. Als erfahrener Apparatschik und der Korruption keineswegs unverdächtiger Politprofiteur wird er innerpalästinensisch ein fragiles Arrangement mit den abgehalfterten Kadern der alten Garde, den machthungrigen Fatah-Jungen und den Militärgangs von Fundamentalisten und diversen Sicherheitsdiensten suchen.

Außenpolitisch wird er sagen, was die internationale Gemeinschaft von ihm hören will. Gegenüber der israelischen Regierung wird Abbas tapfer mehr verlangen, als diese ihm bislang zugesagt hat, und damit – zumindest in naher Zukunft – voll auflaufen. Die rhetorische Trickkiste der israelischen Regierung ist reichhaltig genug, um die palästinensischen Ansprüche international aufzufangen. Das Stereotyp vom „Kampf gegen den Terror“ muss da gar nicht erst bemüht werden.

Auf der internationalen Bühne wird das neue Gesicht Palästinas in vornehmem Zwirn und gesitteten Manieren enthusiastisch aufgenommen werden. Nur zählbare Erfolge wird Abbas das noch nicht bescheren. Der US-Regierung und den Europäern wird es reichen, wieder einen Mann zu haben, den sie als Verhandlungspartner präsentieren und – mit Israels Billigung – sogar besuchen dürfen. Gespräche, Konferenzen, Verhandlungen nehmen ihren Lauf und werden als Erfolg verkauft. Von ihrer viel gelobten, aber nur leidlich praktizierten Besatzungsdemokratie haben die Palästinenser derzeit nicht viel mehr zu erwarten. Abbas ist ein Präsident des Übergangs und die Palästinenser wissen das. Auf den eigenen Staat werden die Palästinenser aber auch 2005 vergeblich warten.

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