Statt Abfuhr: Die Müllwieger kommen

Bei der Abfallentsorgung geht der Trend zur personalisierten Tonne. Chips und Wägetechniken versprechen eine verursachergerechte Entsorgung. Kritiker mahnen vor illegaler Entsorgung an wilden Müllkippen durch Sparwütige

Drei Prozent aller Mülltonnen sind unangemeldet aufgestellt

VON ELMAR KOK

„Die Datenerfassung bei der privaten Müll-Entsorgung ist das Thema der Zukunft“, sagt Achim Schröter, stellvertretender Geschäftsführer des Verbandes kommunaler Abfallwirtschaft (VKS) in Nordrhein-Westfalen. Die personalisierte Mülltonne soll bei der Entsorgung von Rest- und Biomüll aus privaten Haushalten genauere Abrechnungen ermöglichen und die Haushalte zur Müllvermeidung anhalten.

Denn die Mülltonne ist mit einem Chip ausgerüstet, der den Müllfahrzeugen automatisch mitteilt, wessen Tonne gerade entleert wird. So ist festzustellen, wer wann seine Tonne zur Entleerung vor die Tür gestellt hat. Die Abrechnungen der Entsorgungsbetriebe am Jahresende sehen dann aus wie eine Telefonrechnung. Der Bund der Steuerzahler in NRW hält auf diesem Wege eine gerechtere Müllentsorgung für möglich. „Wir sprechen uns für solche Systeme aus“, sagt Harald Schledorn, Gebührenreferent des Steuerzahlerbundes aus Düsseldorf. Schließlich müssten mit Einführung der Chip-Tonnen nur noch die Abfuhren bezahlt werden, bei der die Tonne auch tatsächlich entleert werde, sagt Schledorn. Zudem sei schon vor dem Entleeren zu erkennen, wer seine Tonne an die Straße stelle, ohne Entsorgungsgebühren zu zahlen. Im Durchschnitt sind in jeder Stadt „bis zu drei Prozent schwarze Schafe dabei“, sagt der Lobbyist. Erkennt das Müllfahrzeug die Tonne nicht, bleibt sie unentleert stehen. So sollen die „schwarzen Schafe“ dazu gezwungen werden, ihre Tonne anzumelden.

Dietmar Danielzik, Leiter der technischen Dienste der Gemeinde Gevelsberg, kennt das Chip-System an den Mülltonnen genau. Er hat die Einführung des Chip-Systems an den Mülltonnen mitgemacht. In Gevelsberg werden die Restmüll- und die Biotonnen vor und nach dem Entleeren sogar gewogen. „Bei den Informationsveranstaltungen haben die Bürger teilweise ihre Personenwaagen mitgebracht, um uns zu überprüfen“, sagt Danielzik. Nachdem die Tonnen mit dem Chip ausgerüstet worden seien, habe es Anfangs skurrile Feststellungen gegeben. Ein Bürger habe die kleinste Tonne, die die Gemeinde ausgibt, doppelt ausgenutzt. „Der hat die nach der ersten Entleerung anschließend noch einmal an einer anderen Kreuzung aufgestellt“, erzählt Danielzik. Insgesamt habe die Einführung des Systems, das in Gevelsberg seit rund 10 Jahren im Einsatz ist, zu einer Reduzierung der Müllmengen geführt. Denn der Gevelsberger erhalte keinen normalen Gebührenbescheid seines Entsorgers, sondern „ein Wiegeergebnis“.

Nicht nur für den Bürger, sondern auch für Gemeinden sei die Einführung der Müll-Überwachung ein Thema, sagt Günter Theilig, Ingenieur der Firma Moba, die die Gevelsberger Entsorgungsbetriebe mit dem System ausgerüstet hat. Denn über die Datenerfassung könnten Gemeinden auch ihren privaten Entsorger überprüfen, denn schließlich wisse die Gemeinde durch den Wiegevorgang genau über die entsorgte Menge bescheid, sagt Theilig.

Auch wenn die Zukunft in der digitalen Müllerfassung liegt, hat der Chip in der Tonne auch Nachteile. „Der Wunsch zu sparen, kann dazu führen, dass Bürger ihren Müll in Park- und Grünanlagen entsorgen“, sagt VKS-Mann Schröter. Zudem müsse die Einführung eines solchen Systems mit Augenmaß kommuniziert werden, sagt er. Es dürfe nicht dazu führen, dass die Bürger ihre Umwelt verschmutzten, „nur um in der Woche ein halbes Glas Kölsch zu sparen“. Zudem gelte es, allgemein gültige Standards für die Datenerfassung zu entwickeln. Denn in Wetter/Ruhr, wo auch die Tonne mit Chip genutzt wird, ist mal eines der neu ausgerüsteten Fahrzeuge ausgefallen. „Wir wollten uns dann eines aus der Nachbargemeinde Herdecke ausleihen“, sagt Helmut Scholz, Vorstand des Stadtbetriebs Wetter, allerdings habe die Gemeinde Herdecke auch ein Chipsystem, „das passt aber mit unserem nicht zusammen“.