Laubfeger in die Produktion

Auch die Industrie- und Handelskammern des Ruhrgebiets wollen Ein-Euro-Jobber in der Wirtschaft einsetzen. Kritiker befürchten, dass die Billigjobs schon jetzt reguläre Arbeitsplätze vernichten

VON KLAUS JANSEN

Die neuen Ein-Euro-Jobber sind begehrte Wesen. Seit der Erprobung der so genannten „Beschäftigungsgelegenheiten“ für die Empfänger von Arbeitslosengeld II im Oktober sind in Nordrhein-Westfalen bereits 11.300 Menschen vermittelt worden. Zehn Tage nach Inkrafttreten der Arbeitsmarktreform Hartz IV, mit der die Annahme von Ein-Euro-Jobs zur Pflicht wird, diskutieren Wirtschaftsvertreter nun den Einsatz der billigen Arbeitslosen in der Privatwirtschaft.

„Entweder man baut den Arbeitslosen eine wirkliche Brücke in den ersten Arbeitsmarkt, oder man lässt sie beim Laubfegen“, sagt Bodo Risch, bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Nord Westfalen verantwortlich für Volkswirtschaft. „In der Wirtschaft besteht die Chance auf einen Klebeeffekt“, sagt er. Risch übernimmt damit den Vorschlag von Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, der Arbeitslose für einen Euro Zusatzlohn in Betrieben einsetzen möchte (taz berichtete). Ähnlich äußern sich Vertreter der IHKs in Bochum und Dortmund.

Die IHKs stehen mit ihrem Vorstoß jedoch weitgehend allein. Zur Zeit ist der Einsatz von Ein-Euro-Jobbern in der freien Wirtschaft per Gesetz verboten: Ausdrücklich sollen Arbeitslosengeld II-Empfänger nur „zusätzliche“ und „gemeinnützige“ Tätigkeiten verrichten, um nicht reguläre Arbeitsplätze zu verdrängen. „Ein Einsatz in Betrieben ist nicht machbar – es sei denn, ein Unternehmen würde nachweisen, dass es vollkommen altruistisch arbeitet“, sagt Werner Marquis, Sprecher der Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit. Mit ihm sprechen sich auch Bundespolitiker aller Parteien, Handwerksverbände und auch Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt gegen die Wansleben-Idee aus.

Für Josef Hülsdünker, den Chef der DGB-Region Emscher-Lippe, zeugt der IHK-Vorstoß von gewachsenen Begehrlichkeiten der Wirtschaft. „Wenn Arbeit billig wie Dreck wird, tauchen die Mitnahmeapostel auf“, sagt der Gewerkschafter. Laut Hülsdünker führt schon die jetzige Regelung dazu, dass reguläre Arbeit vernichtet wird. „Altenheime oder Krankenhäuser arbeiten ja auch wie Wirtschaftsbetriebe. Es gibt schon mehrere Fälle, in denen Ein-Euro-Jobber in den normalen Schichtplan eingegliedert wurden. Im Gegenzug werden dann privaten Reinigungsfirmen die Aufträge gekündigt“, sagt er. Den Arbeitsagenturen fehle schlicht das Personal um zu kontrollieren, ob Ein-Euro-Jobber tatsächlich nur für zusätzliche Arbeiten eingesetzt würden.

Agentur-Sprecher Marquis weist die Kritik der Gewerkschaften zurück, räumt aber Probleme ein: „Wettbewerbsneutralität ist natürlich ein Qualitätskriterium, aber es ist schwierig, alles zu überwachen“. Eine Übersicht darüber, wo die Ein-Euro-Jobber eingesetzt würden, gebe es noch nicht. „Das ist völlig unterschiedlich, bunt wie das Leben“, sagt er.

So bunt, dass der Phantasie einiger Politiker keine Grenzen gesetzt scheinen: Vertreter von CDU und FDP regten bereits den Einsatz von Arbeitslosen als Wiederaufbauhelfer in den von der Flutkatastrophe in Asien betroffenen gebieten an. Für Agentur-Sprecher Marquis ist das Unsinn: „Wenn arbeitslose Spezialisten helfen wollen, kann man über eine Lockerung der Meldepflicht reden. Bretter zu schleppen bringt aber gar nichts – es mangelt in Asien ja nicht an Arbeitskräften“, sagt er. Und an den ersten Arbeitsmarkt führe ein solcher Einsatz auch nicht heran. „Wer so etwas fordert, hat das System nicht verstanden“.